Nachwahlwehen
Dienstag, 20. September 2005
Nachwahlwehen

Nachdem es schon im Vorfeld der Wahl hier auf Euphorika zu einigen Diskussionen gekommen ist, möchte ich es nicht versäumen, ein paar weitere diskursive Fettnäpfen aufzustellen, in die der eine oder andere Kommentator hineinzustapfen sich genötigt fühlen könnte. Hier meine Gedanken zu den Ereignissen seit Sonntag Abend, 18:00 Uhr.

  • Nachdem ich mit verschiedenen Leuten verschiedenester politischer Colour gesprochen habe, konnte ich einen Konsens feststellen: Der Auftritt Gerhard Schröders bei der Elephantenrunde hat alle verblüfft. Die taktischen Überlegungen dahinter konnten die meisten noch mitgehen (von Anfang an klarmachen, dass in einer großen Koalition die SPD mindestens gleichberechtigt sein muss), den Ton, besonders die unprofessionelle Beschimpfung der Medien, insbesondere der Moderatoren, konnte niemand wirklich nachvollziehen. Dass es durchaus Grund für eine Medienschelte gab (insbesondere, was die Bewertung des Fernsehduells angeht), hat der Report aus Mainz gestern ganz gut gezeigt.

  • Auch die derzeitige SPD-Linie, es zähle die stärkste Partei, nicht die stärkste Fraktion, konnte zu Anfang kaum einer, auch rot-grüne Zeitgenossen nicht, mitgehen. Es ist allerdings bewundernswert, wie schnell die gesamte SPD-Spitze diese Argumentation übernommen hat. Da es in der Frage, wer mit wem über eine Regierungsbildung unter welcher Führung verhandeln darf, keine bindenden rechtlichen Regeln gibt, kann man hier der SPD nicht wirklich vorwerfen, sie verstoße damit gegen irgendwelche Regeln. Aber: Wenn man schon mit dem Wählerwillen argumentiert, wie die SPD es in der Kanzlerfrage außerdem tut, muss man auch bedenken, dass vor der Wahl wohl kein Wähler über diese Argumentation nachgedacht hat und intuitiv wohl die meisten Wähler diese Argumentation als schwach oder falsch angesehen hätten. Heißt: Wenn man überhaupt von einem wie auch immer messbaren Wählerwillen spricht, muss man auch ganz klar sagen: Vor der Wahl gingen die Leute davon aus, dass, wenn CDU/CSU zusammen vor der SPD liegen, die Union auch den Kanzler stellt. Das gefällt mir persönlich zwar auch nicht, bin mir meiner Behauptung, was die Wählereinschätzung angeht, aber ziemlich sicher.

  • Mag man die beiden oberen Punkte beurteilen, wie man will: Fakt ist, dass die SPD momentan in der besten Position aller Parteien ist: Sie hat ein Ergebnis eingefahren, das ihr wenige Demoskopen zugetraut haben, und es gibt nur eine Parteienkonstellation, in der ohne sie regiert werden kann. Der Einwand "Das gilt für die Union auch" stimmt aus zwei Gründen nicht. Erstens: Die Union ist in den Augen vieler Menschen ein noch größerer Verlierer als die SPD. Zweitens: Aufgrund ihres Anspruchs, die besseren Konzepte zu haben als Rot-Grün, ist die Union zum Regieren verdammt. Sie muss auf Biegen und Brechen versuchen, eine Regierungskoalition auf die Beine zu stellen. Die SPD nicht. Wenn eine große Koalition oder Rot-Gelb-Grün nicht zustande kommen, kann sie - aus parteitaktischer Sicht - beruhigt in die Opposition gehen, die Reformen abwarten und bei den nächsten Landtagswahlen Landesregierung für Landesregierung zurückerobern. Denn was auch immer für Reformen kommen werden: Gefallen werden die den meisten Menschen nicht. Die SPD könnte somit wieder zum Zufluchtsort der Unzufriedenen werden und würde gleichzeitig der Linkspartei einen Teil der Wähler wieder abjagen.

  • Wenn die SPD sich nicht mit der Union auf eine große Koalition einigen kann und infolge dessen den Oppositionsjoker zieht, wird den Grünen der schwarze Peter zugeschoben. Eine Verhandlungslinie zeichnet sich hier schon ab: Beim Tarifrecht, beim EU-Beitritt der Türkei, beim Atomausstieg und bei der Förderung erneuerbarer Energien seien die grünen Positionen so gut wie unverhandelbar, sagte Bundesumweltminister Jürgen Trittin heute im ARD-Morgenmagazin. (SpOn von heute). Ich kann mir durchaus vorstellen, dass unter diesen Bedingungen eine "Schwampel" zustande kommen könnte. Aber: Die Grünen-Wähler würden sich völlig verarscht fühlen und ein guter Teil der Abgeordneten würde da auch nicht lange mitmachen. Eine solche Regierung wäre nicht stabil.

  • Bleibt - wegen der verständlichen Weigerung der FDP, mit der SPD zu reden - doch nur die große Koalition. Und hier finde ich, sollte ein Argument nicht unterschlagen werden: Für die meisten der durchzuführenden Reformen ist die Zustimmung des Bundesrats notwendig. Der würde sich bei einer Unionskanzlerin erheblich leichter tun, als bei Schröder.

  • Fazit: Keine Ahnung. Schröder sollte wahrscheinlich abdanken. Dann: Große Koalition. Das ist zwar schade, weil ich Schörder mag und für weitaus fähiger halte, aber so what. Die Hoffnung, dass im Tausch gegen Schröder die Union womöglich ebenfalls ihre Kandidatin auswechseln würde, ist wohl eher trügerisch: Ein Kanzler Koch würde mir kaum besser gefallen. Inhaltlich fände ich Schwarz-Gelb-Grün interessant, aber es würde einfach nicht funktionieren. Wahrscheinlich müssten sich die Grünen in einer solchen Situation entscheiden, ob sie das ökologische oder soziale Feigenblatt dieser Koalition spielen wollen. Für beides sind sie zu schwach. Beides aber hätte diese Koalition bitter nötig.

  • Amen

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Ja. Genau!

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okay, es tut mir leid. aber ich wollte einfach mal meine gedanken ordnen. jetzt gehts mir besser ;)

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Gut und schön.

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NEUWAHLEN!!!
(Und zwar undemokratische oder pseudodemokratische! So ähnlich wie bei der Bush Wahl in den USA. Wir schaffen das das Schröder bleibt! Vielleicht hat Schröder ja auch irgendwelche Verwandten und Bekannten die gerichtlich Stimmen für nicht geltend erklären können)

Ausserdem sind CDU und CSU zu trennen!
Dann sind die auch nicht mehr so gross wie die SPD!

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