Als ich für meine Diplomarbeit nach so genannter educational software suchte, stieß ich unter anderem auf ein Angebot namens Second Life. Da es kurz darauf in allen Medien eifrig diskutiert wurde, dürfte es den meisten von euch mehr oder weniger bekannt sein. Da ich weder die Zeit dafür hatte, noch mich von Medien zum Trend erhobenen Dingen widme, war Second Life kein Thema für mich.

Dennoch war ich neugierig. Da das allseitige Gedröhne darüber, dass das eine ganz große Sache sei, an der man unbedingt teilnehmen müsse und überhaupt die Zukunft des Internet und blablabla einigermaßen verklungen ist, habe ich mich zu einem Test entschlossen. Ich habe also (eher lieblos in Anbetracht des Aufwands, den man darin investieren kann,) einen Avatar erstellt. Mal davon abgesehen, dass mein betagter Rechner und meine mäßige Internetanbindung das ganze Geschehen eher zögerlich enthüllten, bestand meine erste Amtshandlung darin, ein Tutorial zu absolvieren. Dieses scheiterte im ersten Anlauf daran, dass ich eine Fackel aus meinem Inventar zur Hand nehmen sollte, die auch nach längerem Suchen nicht auffindbar war. Beim zweiten Versuch war sie dann vorhanden und ich konnte auf das virtuelle "Festland" übersiedeln.

Ausgestattet mit dem Hinweis, wie man zum deutschsprachigen Raum dieses Kontinuums gelangt, machte ich mich auf den Weg dorthin und fand riesige Gebäude vor, die jedoch spärlich besucht waren. Die vielgepriesene Interaktion mit anderen Personen fiel daher bescheiden aus. Nach einigem umherlaufen und -fliegen beendete ich den ersten Besuch mit drei Partien virtuellen Mensch-Ärgere-Dich-Nicht. Der Entwickler des Spiels, das in Anlehnung an vergleichbare Schachspiele in gigantischen Dimensionen im Hinterhof eines Gebäudes aufgebaut war, zahlte mir und einem anderen Neuling für das Testen seiner Kreation hundert Linden-Dollar.

Spätere Amtshandlungen im zweiten Leben beschränkten sich auf das Verjubeln der geschenkten Währung in einem der unzähligen Spielcasinos, Herumsitzen und albern Tanzen. Für letztere Tätigkeiten wird man in dieser Welt bezahlt. Sein Spielgeld kann man für virtuelle Grundstücke, Gegenstände und angeblich auch für reale Produkte ausgeben. Virtuelle Gegenstände, vor allem solche zur Ausgestaltung der eigenen Spielfigur, bekommt man aber auch in großer Zahl umsonst. Etwas sinnvolles, unterhaltsames oder sonst irgendwie fesselndes habe ich bisher nicht entdecken können. Möglicherweise habe ich nicht nach den richtigen Schlagworten gesucht. Eine Suchtgefahr oder eine vollständige Flucht ins virtuelle Leben, wie sie gelegentlich am Rand der begeisterten Lobeshymnen befürchtet wurden, konnte ich an mir nicht feststellen. Second Life ist ohne Zweifel ein dreidimensionales Abbild des Internet, bei dem eine überproportionale Menge von sinnlosem Scheiß die wenigen nützlichen Angebote überlagert.