Samstag Vormittag, die Eltern kommen zu Tee und Kaffee. Mutter immer Prüttkaffee ohne alles, Vater immer schwarzen Tee mit viel Zucker. Ich mal irgendeinen Tee ohne alles, mal Kaffee mit viel Milch, um ein unsichtbares Gleichgewicht auf dem Tisch aufrecht zu erhalten oder um Offenheit gegenüber allen Arten von Heißgetränken zu symbolisieren. Dann folgt der Austausch von Neuigkeiten. Meistens gibt es nicht viel zu erzählen, ob der Bruder sich mal gemeldet hat und was er so macht (meistens nichts Neues), wie es hier und da so läuft. Zum Glück kann der Vater immer etwas erzählen. Er besitzt das beneidenswerte Talent, aus allem eine Geschichte zu entwickeln. Manchmal mit dem Makel unnötiger Längen, die den Zuhörer ungeduldig machen, weil er das Ende der Geschichte absehen kann und doch der Kette der Ereignisse und Einzelheiten folgen soll. Aber besser, als sich anzuschweigen, ist es allemal.

Vor kurzem habe ich ihn aus einer schlechten Laune heraus angefahren. Er fragte mich nach einer Sache, über die ich meiner Meinung nach schon alles erzählenswerte gesagt hatte. Man müsse doch nicht um alles eine Geschichte drumherum erfinden, habe ich sehr barsch entgegnet. Da war er sichtlich gekränkt und seitdem verweist er gelegentlich auf diesen Einwand, wenn ich mich nach dem neuesten Stand einer Sache erkundige, um mir seine Verletzung deutlich zu machen. Vielleicht sehe ich vieles als zu selbstvertändlich an, bin zu sehr besorgt, jemanden mit meinen Belangen zu langweilen oder gar zu belästigen. Als Kind habe ich gerne und viel erzählt, vielleicht zu viel. Ich weiß nicht mehr warum, aber irgendwann bin ich schweigsam geworden und grüblerisch, handele Fragen, die mich betreffen, lieber mit mir selbst aus und höre gern, was andere für mitteilenswert und wichtig halten.

Der Vater hat sich ein Motorrad gekauft. Ich versuche mir das bildlich vorzustellen. Trotz gerade dieses Talentes, mir etwas in Gedanken auszumalen, gelingt es mir nicht. Er hat das typische Alter, in dem ein Mann es für nötig hält, sich ein mit Jugendlichkeit und Abenteuerlust attribuiertes Fahrzeug anzuschaffen, um mehr als ein Jahrzehnt überschritten. Das finde ich lobenswert. Nicht mit dem Strom schwimmen, bestenfalls früher oder wenigstens später sein, nur nicht dann, wenn alle anderen es tun. Es folgt ein ausführlicher Bericht über Probefahrt, Verhandlung, Versicherung, Ausstattung mit gelegentlichen Exkursen, zum Beispiel über andere Versicherungen. Wir besprechen den Transport meiner Habseligkeiten ins elterliche Domizil, wo ich sie zwischenlagern kann, bis sich ein Zielpunkt für meine weitere berufliche Entwicklung ergeben hat. Ich erzähle meistens, was ich in den vergangenen Tagen gekocht habe, um auf diese Weise meiner Mutter einen Einstieg in das Gespräch zu ermöglichen. Gegen Mittag und aufgrund der Essensthematik erfasst den Vater dann eine plötzliche Unruhe, er meldet den sofortigen Aufbruch an. Der Gedanke an das nahende Mittagessen, das ja noch zubereitet werden muss, macht dieses erforderlich.

Pluto ist übrigens kein Planet. Das brauche ich meinen Eltern nicht erzählen. Das ist relativ unwichtig für sie. Es ist im Grunde eine Frage der Definition, ein Thema das Wissenschaftler miteinander aushandeln, um arbeiten zu können. Nichts folgt daraus für das Leben auf der Erde, für berufliche Perspektiven, Samstagvormittagsbesuche oder Motorräder.