Dienstag, 25. Februar 2003
Frankreich 2003
ChrisTel
15:09Uhr | tag: auf Reisen
Reisen in Europa for Walkaways Tag 1 - Bünde/Herford/Hamm/Köln/Nizza 3.45 Uhr - Nach einer Stunde Schlaf ist die Welt unverändert, nur die Wahrnehmung der selben macht unerhörte Probleme. Das Aufstehen an sich funktioniert zwar ganz gut, aber man sieht sich irgendwann seltsame Dinge tun. Beispielsweise kann das Anziehen von Wollsocken nach einer Stunde Schlaf eine sehr spirituelle Erfahrung sein, bei der die Zeit wie im Flug vergeht. Das ein Februarmorgen in Deutschland kalt sein kann, braucht nicht weiter erwähnt werden, aber die 30 Minuten Wartezeit in Herford bei gefühlten -12°C können sehr frustrieren. Meine Entscheidung eine rauchfreie Fahrt zu bestreiten werden in diesen 30 Minuten auf eine harte Probe gestellt, der ich letztendlich erliege. Zum Glück hat der Bahnhofskiosk noch geschlossen und der freundliche Zigarettenautomat in der Halle wird von einem handgemalten „Defekt-Schild“ verziert. So führt für mich mein Weg in eine schlafende Stadt, vorbei an einer erfrorenen Taube, geschlossenen Imbiss-Buden und einigen hartgesottenen Taxifahrern, die morgens um halb sechs bereits den Sportteil der „Bild“ ertragen müssen. Mit einem Paket Sargnägeln in der Hand kehre ich beschwingten Schrittes in die Bahnhofshalle zurück und verpasse fast meinen Zug. Das Einschlafen und Auswachen in Zügen der Deutschen Bahn gehört für mich zu den unangenehmeren Erfahrungen. Immer in der Angst lebend, den Ausstieg zu verpassen, zu Sabbern oder unkoschere Sachen im Schlaf zu murmeln, reduziert sich der Erholungscharakter auf ein Minimum. Auf dem Kölner Hauptbahnhof tobt das Leben. Hier werden wichtige Telefonate geführt, die ersten Biere gezischt, warme Käsebrötchen verkauft. Lecker. Der Bustransfer zum Flughafen kostet 5 Euro. Nicht schlecht. Mein Flug kostet 19 Euro. Dafür ist der Busfahrer aber auch notorisch schlecht gelaunt und isst ein Brot mit Blutwurst. Im Bus kommt mir die geniale Idee, Herr H., seit einiger Zeit Student in der Rheinmetropole zu einem Kaffee am Flughafen einzuladen. Immerhin bleiben bis zum Abflug noch 2 Stunden Zeit, das könnte machbar sein. Außerdem hat es etwas leicht Beklopptes und macht daher um so mehr Sinn. Juchu, er kommt. So lässig und selbstverständlich wie möglich gebe ich der Dame am Check-In meinen Reisepass, worauf sie ihn mir mindestens genauso lässig und selbstverständlich zurück gibt. „Ihr Reisepass ist abgelaufen. Tut mir leid.“ „Wat, ich äh, aber der ist doch, ich meine, der ist doch erst…“ – „Abgelaufen am 21.01.2003.“ – „Ja. Und jetzt, soll ich, kann ich, ich kann ja…“ – „Ist aber für Frankreich kein Problem. Guten Flug.“, meint sie und gibt mir ihr schönstes Zahnpastalächeln. Bäng! Ich bin wach. Endlich. Aber unter was für Umständen. Scheiße, eine Ziffer auf einer Seite Papier entscheidet über Fliegen oder Bleiben. Ich spüre schon den Atem der BGS Beamten in meinem Nacken, die mir freundlich, aber bestimmt sagen: „Sie kommen jetzt erstmal mit, wir haben da ein paar Fragen an sie!“ Aber in Frankreich ist das ja kein Problem. Stimmt ja. Altes Europa, vive la france! Gut, dass ich nicht nach Miami fliegen wollte, sonst würde ich vielleicht bald mit einigen finsteren Gestalten an einem Ort namens Guantanamo Bay sitzen ungewollte Brustwarzenpiercings bekommen. Herr H. kam übrigens noch (Danke für den Einsatz), leider hat es für den Kaffee nicht mehr gereicht, aber ich habe das zweite Mal in meinem Leben meinen Namen über die Lautsprecheranlage eines Flughafens gehört. „Herr O. bitte dringend zu Gate 5, Herr O. wird gebeten dringend zu Gate 5 zu kommen.“ „Ist aber in Frankreich kein Problem“, setzte ich den Satz in meinem Kopf fort und lies mich in den Ledersitz fallen. Nizza ist ja grundsätzlich eine schöne Stadt. Ok, im Februar sind es dort auch nicht mehr als 20°C, aber immerhin scheint die Sonne, die Palmen wiegen sich im Wind und das Meer rauscht wie es sich gehört. Marraine und ich beschließen unser Gepäck erst einmal im Hotel abzugeben, denn ohne Koffer und schwere Rücksäcke flaniert es sich bekanntlich wesentlich leichter. Das Hotel d’Orsay macht von außen einen soliden und netten Eindruck, der von der Empfangshalle und Rezeption bestätigt wird. Das Zimmer in ersten Stock (für interessierte Ortskundige – Zimmernummer 14), übertrifft so ziemlich all unsere Erwartungen und zwar im Negativen. Klar, für 45 € pro Nacht kann man von einem Doppelzimmer keine Wunder erwarten, aber was sich dort unseren Augen bietet, war schon sehr bizzare. Wer den Film Trainspotting gesehen hat, erinnert sich vielleicht an die Toiletten-Tauch-Szene im schmutzigsten Klo Schottlands. Diese Bilder kann man fast 1:1 auf unser Hotelzimmer übertragen. Tapeten, die sich eigenständig von den Wänden abrollen. 2 Einzelbetten, die schiefer und uneinladender nicht sein könnten. Eine Dusche, in deren Abfluss die Überreste eine Intimrasur in Dasein fristen, die Toilette entbehrt jeder Beschreibbarkeit. Mehrere (benutzte) Gläser stehen im Zimmer verteilt und wenn das Fenster nicht geöffnet wäre, würden wir wahrscheinlich direkt in die Ecke kotzen, auf die benutzen Handtücher. Das einzige Pro-Argument war der an der Wand befestigte Fernseher, dessen Fernbedienung ich aber nicht in die Hand nehmen würde, außer mit Handschuhen. Kurzum, runter zur Rezeption, Geld zurück und raus aus dem Laden. 2 Häuser weiter, 5 € mehr bezahlten und schwupps, schon sitzt man in einem einfachen, aber sauberen und pockenvirenfreien Zimmer. Ansonsten gibt es über die Schickimicki Stadt an der Côte d’Azure wenig zu erzählen, außer dass man hier zu einen Teller kalte Tortellini schon mal 12 € zahlen muss und dass schon um diese Jahreszeit viele braungebrannte Menschen die Channel und Armani Shops füllen. „In Frankreich ist das aber kein Problem!“ ... Comment
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