Über den Stammtischen
Dienstag, 11. März 2003
Über den Stammtischen

Der Verantwortliche, der dicke, dumme Frauen dazu bringt, am Dienstag Morgen ein Fittnessstudio aufzusuchen, soll sich bei mir melden, aber sich nicht wundern, wenn er von mir voll was in die Fresse kriegt.

Musikalische Untermalung...

Es gibt die Tage, wo sich die Gesamtsituation der Welt schon in den ersten fünf wachen Minuten entscheidet.
Angetrieben von den Schönheitsidealen der Fitnessgesellschaft versuche ich seit einigen Wochen meinen, an den falschen etwas zusammengefallen und an anderen falschen Stellen ausgedehnten Körper, auf ein erträgliches Gesamtkonzept zu bringen. Eine Mischung aus gesunder Ernährung und viel Sport soll mir dabei helfen. Heute Morgen klingelte also pünktlich um 8.00 Uhr mein Handy-Wecker. Leicht verwirrt, aber fest entschlossen entschied ich mich dafür Nora Jones zu fragen, ob sie mir die ersten Minuten etwas angenehmer machen wollte. In einer Mischung auch Meditation und Halbschlaf, plante ich meinen Tag, dachte an Sommer, Strand und Blümchen-Sex. Ihr kennt dieses warme Glücksgefühl im Bauch, oder? Nora gab alles und als ich nach 10 Minuten meine Mutter fröhlich umher springend in der Küche traf, wusste ich, dass ein guter Tag folgen würde. Frische Brötchen und Haferflocken.
Nora Jones würde mich heute Morgen begleiten. Im Bad, im Auto und im Fitness-Studio, dem Ort, wo sonst eine gewöhnungsbedürftige Mischung aus NDR2 und Boom-Boom Musik dudelt.
Ich mag das Fitness-Studio am Morgen. Es ist kühl, frische Luft, weil alle Fenster und Türen geöffnet sind. Wenige Menschen dort, ein paar versprengte Rentner, ansonsten nur die dicken Hausfrauen, die von Ewalds Rücken und der Lütten berichten, von Magerquark und Bofrost Bohnen. Die freundliche Trainerin kennt Nora Jones zwar nicht, aber nachdem ich ihr versichert habe, dass sie es mögen wird und sie anlächle, scheint sie zu verstehen, dass sie eigentlich keine Wahl hat. Mein Trainingsplan sieht Beine und Rücken vor, eigentlich 2 Übungsbereiche, die ich nicht mag, aber Nora, frische Luft und 6 Stunden Schlaf erzeugen diese euphorische Stimmung, die zum Trainieren so wunderbar passt. Nachdem mich 2 dicke Frauen fragen, ob ich ihnen die CD mal ausleihen kann, lege ich an der Bar eine Liste aus, wo sich potentielle Interessenten einer Sicherheitskopie eintragen können. Nach 1 Stunde und verzweifelten Bemühungen meine „Deutschland sucht den Superstar“ Antipathie zu begründen, hat Nora ihr Konzert beendet und ich zwänge mich aus einer dieser Rückenfoltermaschinen. Ende. Klasse, alles geschafft. Ich weiß bereits jetzt, wo ich morgen einen Muskelkater haben werde und ich freue mich drauf. Hauptsache es knallt - ist das Wichtigste im Leben.
Ich beschließe mich noch einmal ordentlich zu dehnen, sollte man immer machen.
Meine Ohren suchen nach Input. Die dicken Frauen sitzen bereits an den 3 runden Tischen, um sich beim Kaffee, Milchkaffee oder Cappuccino den Mund über Fachärzte und Kohldiäten zu zerreißen, als eine der stilleren Damen plötzlich in einer ca. 3 sekündigen Pause ihre große Chance wittert und sich aufmacht, mir den Tag zu verderben.
„Bei uns 5 Häuser nebenan, da haben jetzt Russen gebaut. Ich meine, die sind wirklich fleißig und haben auch alle Arbeit, aber es sind und bleiben halt Russen. Die waren auch schon da und haben uns zum Essen eingeladen, sprechen auch schon deutsch, aber da gehen wa nicht hin. Ewald hat da Kegeln und alleine kriste mich da nich bei. Wer weiß, was die da vorhaben, den Abend? Fuffzichtausend Mark haben die gekricht vonne Bank, ehrlich, fuffzichtausend Mark. Überlech ma.“
Soweit so gut. Weil keiner was sagen wollte, machte ich mich auf, in die Sache einzusteigen:
„Es wird ja nicht so sein, dass die Bank, denen das Geld geschenkt hat. Es handelt sich wohl eher um einen Kredit im Rahmen einer Finanzierung. Und die Bank wird schon dafür sorgen, dass sie jeden einzelnen Euro mit Zinsen zurückbekommt.“
„Na, sei dir da mal nich so sicher. Was die alles kriegen. Die kommen von Russland wech, müssten se ja nicht, aber die kommen hier zu uns und kriegen dann noch alles geschenkt. Und vielen von denen sind ja gar nicht am Arbeiten. Die fahren aber alle Mercedes. Aber wo solln se denn das Geld herkriegen.“
Die Sache entwickelte diese schön Form der Eigendynamik, die sogar minderbehirnte zwanghaft zu Richtern und Gesellschaftskritikern sowie Steuerexperten werden lässt.
„Ja, unsere Steuern sind das. Ist doch klar. Aber kein Wunder, wenn ich mir diese Politiker doch nur anschaue, die stecken sich doch eh alles nur in die eigene Tasche. Und dann, den Rest kriegen diese aus Russland, die haben noch nie in ihrem Leben gearbeitet und wir müssen das alles zahlen.“
„Mein Sohn, der hat ja wirklich viel mit diese Russen zu tun. Und der sacht, 90 % von alle Kriminellen sind Ausländer. Und mein Sohn, der hat nun wirklich viel mit diese ganzen zu tun, der kennt sich da aus.“
„Warum kommen die überhaupt hier hin. Wir haben doch wirklich Probleme genuch, und dann kommen die auch noch. Meine Tochter und Thomas, ihr Mann, die wollten bauen, aber dann haben da so Um- oder Übersieder, oder wie die heißen, ihnen den Bauplatz vor der Nase wech gekauft, unmöglich find ich das. Und die haben auch nicht so viel, Thomas hat mal auch guste wieder angefangen zu arbeiten.“
„Aber kriminell sind die doch alle veranlagt, wir machen uns hier den Puckel krumm und die kriegen das ganze Geld hinten rein geschoben, ich weiß nicht was das soll. Wenn die nicht wüssten, dass die hier so viel kriegen, würden die auch gar nicht hier überall vorbei kommen.“
Eigentlich war ich schon längst fertig. Meine Muskeln waren gedehnt, ich freute mich auf die Dusche, innerlich verärgert über die Dummheit von diesen Menschen, aber auf der andern Seite wollte ich auch gern noch weiter zuhören und erfahren, welche Argumente noch über die Tische wandern würden.
„Und da kommen ja jedes Jahr mehr von rein, von diese Russen. Im Aldi sitzt auch eine anner Kasse, aber die spricht auch deutsch. Den Zettel kuckt ich trotzdem immer nach, man kann ja nie wissen. Zutrauen würd ich es ihr, obwohl nach außen immer so nett tut.“
„Sein wa doch mal ehrlich. Eva hat’s ja schon gesacht, 90 % von allen Kriminellen sind Ausländer, die sollen innen Knast oder am besten gleich wieder ab nach Russland, wo se hingehören.“
An dieser Stelle platze mir der Kragen, zumindest für meine Verhältnisse.
„90 % aller Kriminellen sind Ausländer und 80 % aller Mörder haben schon einmal Schwarzbrot gegessen. Super Statistik! Ich glaube nicht, dass man alles, was ihr da gesagt habt, so stehen lassen könnte, aber ich glaube es macht keinen Sinn, mit euch darüber zu sprechen. Ich lege die gebrannten CD’s morgen früh an die Bar und wäre glücklich, wenn mir jeder, der sich eine nimmt, 50 Cents hinlegt, für den Rohling. Tschüss und schönen Tag noch!“
Mit diesen Worten machte ich mich feige vom Acker. Feige, weil ich mich eigentlich den Leuten hätte stellen sollen, aber irgendwie habe ich den Eindruck, dass ich genauso gut einen Brief ans Verteidigungsministerium der USA schreiben könnte, macht alles keinen Sinn. Morgen früh werde ich CDs verteilen, an die gleichen dicken Frauen, die ein oder andere wird mir nen Euro geben, für die Mühe. Ich werde trainieren und die Frauen treffen sich beim Cafe und lästern über Alfredissimo und Vera am Mittag – gut so – damit kann ich leben. Nora hat mich auf dem Weg nach hause begleitet, es weiß nicht warum, aber manchmal muss man einfach laut lachen.
 

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Das is der Grund...

...warum ich nich ins Studio gehe. Das und die Tatsache, dass bei mir inner Gegend so viele Russen im Studio sind. Kommste Dir vor wie in Moskau, nur genau vorer Haustür.

Hey, bau doch in die CDs 'ne versteckte Botschaft rein, die man nur hört, wenn man ein Lied rückwärts abspielt. Etwa: "Ich muss jetzt ganz viel russischen Zupfkuchen fressen. Mehr! Ich will mindestens zehn Stückchen russischen Zupfkuchen! Und dem netten blonden jungen Mann im Fitnessstudio geb ich morgen erstma 'n Mohrenkopf aus. Oder 'n Eisneger!"

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`S wäre doch schön...

...wenn die Welt so einfach wäre wie einmal Butterkremtorte mit Kaffee. Dieter Bohlen hat es nicht so weit gebracht, weil er gute Musik macht - soviel dürfte feststehen. Die Mehrheit ist dumm. Das kann einen sowohl mit Hoffnung als auch mit Resignation füllen. Mittlerweile hat das DeMol-Imperium, Bertelsmann und einige andere begriffen, dass es eine heillose Verschwendung ist, den Leuten etwas subtil und unterschwellig zu verkaufen. Sag einfach: Kauf die Scheiße!
Und die Leute gehen los und kaufen.
Alle nehmen so viel, wie sie können. Und zwar, mit möglichst geringem körperlichen Aufwand.
Ich bin mir sicher, dass es auch so viele Arbeitslose gibt, weil sich der Großteil der Deutschen mittlerweile zu fein dafür ist, bei der Müllabfuhr oder in der Fabrik zu arbeiten. Die wollen alle gerne an einem Schreibtisch sitzen und dafür Geld bekommen. Natürlich reicht da ein Hauptschulabschluß nicht aus. Und wenn dann ganze Familien kommen die jeden noch so dreckigen Job annehmen und nebenbei erwähnt für die gleiche Arbeit nur den halben Lohn bekommen und alle zusammen für ein Haus oder ein Auto arbeiten, dann sieht das für die dicke Frau Dödelköter so aus, als hätten sie es geschenkt bekommen. Was die nämlich haben ist ein familiärer Zusammenhalt, den man in Deutschland nicht mehr so oft findet und die Bereitschaft, für Geld zu arbeiten.
Gut, ich möchte nicht verschweigen, dass russische Jugendliche auch mir feindlich und aggressiv erscheinen. So, wie es vorher und immernoch türkische Jugendliche waren und sind. Wer aber noch die Übertragungsleistung vollbringen kann, in einem neuen Land zu sein und auf blanke Abneigung und sogar Feindlichkeit zu treffen, der wird sich lieber mit seinen Landsleuten treffen und keine gute Meinung von der neuen Heimat entwickeln.
Vielleicht hätten sie wirklich nicht kommen sollen - aus eigenem Interesse. Vielleicht hätte man die deutsche Gesellschaft wirklich ohne Rettungsversuche aussterben und in Vergessenheit geraten lassen sollen.
Die Tatsache, dass Russen äußerst gastfreundlich und hilfsbereit sind, wird sich vielleicht im Laufe der Zeit dem egozentrischen Deutschtum angleichen. Und wieder ist eine Chance verspielt, etwas dazuzulernen.

So ein Vortrag fällt einem natürlich nicht ein, wenn man auf solche Schmalspurnazis trifft. Mal davon abgesehen, dass man, selbst wenn man so etwas parat hätte, genauso gut in eine Mülltonne brüllen könnte.

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Und dann doch nix sagt oder tut, weil die dicke Frau nich aussieht, als könnte sie was anderes verstehen als "Schwarzwälderkirschtortemitsahne" oder "Asylantenpack" und weil der Versuch, diese Gozilla-Schnecke in die Tonne zu wuppen, unweigerlich zu Leistenbruch und Sauerstoffmangel führen würde.

Wir müssen wieder mehr Pferde erschießen!

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Und Zebras!

Und auch alle anderen überflüssigen Tiere, die nichts Nennenswertes zum Bruttosozialprodukt beitragen!

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z.B. Erklinge?

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nee, die werden mit Klavieren beschmissen!

Und somit zum Aussterben verurteilt!

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"Der Erkling ähnelt in seiner Gestalt der Elfe und stammt aus dem Schwarzwald. Er ist etwas größer als ein Meter und hat ein spitzes Gesicht und ein überdrehtes, gackerndes Lachen. Mit diesem Lachen lockt er Kinder, die davon verzückt sind, von ihren Eltern weg, um sie dann zu fressen."

(Quelle: http://www.deliah.com/zeitstempel/mauer_e.htm)

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Naja, dann...

... brauche ich die Geschichte ja nicht mehr zu Ende schreiben.

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Jetzt bin ich wieder schuld, toll! Nee wirklich, ganz toll. Fühle mich gleich richig optimistisch!

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Na endlich:
Alles wird gut

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da sachste auch was

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Ich seh das schon kommen: Da freut sich Herr ChrisTel auf das zahlreiche Feedback zu seinem Beitrag und dann haben wieder nur ein paar Profilneurotiker die Geschichte als Wixvorlage benutzt.

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