Es is ja so: Mit einem freundlichen "Nadunaziiii!" stößt der euphorisch/glogmonische Komplimentespender in der "normalen" Bevölkerung nicht nur auf Gegenliebe. Es gibt allerdings Momente, in denen die verbalen Alternativen derart dünn gesäht sind, dass mir schlichtweg keine Wahl bleibt... (details inside)

Folgendes Szenario: Nordseeinsel S. Eine Gruppe im doppelten Sinne fertiger Studenten hat mit ner Fähre übergesetzt, um den Erwerb des akademischen Titels zu feiern. Man singt, man trinkt, lacht und raucht, genießt die Sonne, die Aussicht und das Gefühl studentisch-brüderlich/schwesterlicher Verbundenheit. (Zwischendurch entledigt sich ein gewisser A. den allzu beklemmenden Kleidern und springt - gradezu Christelesk - in die Fluten der Nordsee. Großartig.)

Nach einem opulenten Nachtmahl und der obligatorischen Gitarrenrunde draußen auf den Holzbänken beschließt man den Besuch der einzigen Disko im Dorf. Eine knappe halbe Stunde später betritt man um ca. 22:30 Uhr die "Disko", eine Mischung aus Strandkaffee (ohne Strand) und umgebauter Scheune. An der Theke: Drei Stammgäste. Der Kickertisch umlagert von einem halben Dutzend Dorfjugend. Der DJ: Ein Mitfünfziger, der sich gerade die neue Madonna-CD gekauft hat und sie immer wieder durchlaufen lässt. Kurz gesagt: Viel Optimierungspotential.

Man schaut sich großstädtisch-überheblich lächelnd an, rollt drei, viermal mit den Augen und bestellt sich zur Sicherheit erstma 'n Jever. Augen wandern, finden nichts, starren ins Leere. Auftritt Cäciliengymnasium Bielefeld. Mädchenschule. Murmeln. Die Damen schauen sich ebenfalls um, nicht ganz so großstädtisch, nicht ganz so akademisch überlegen, aber auch sie hams gepeilt: Dorfdisko. Hechelei oder PC weit weg.

Endlose fünf Minuten sind inzwischen vergangen. Keinerlei Geräusche außer dem gelegentlichen Ploppen von Jever-Kronkorken und einer rappenden Vierzigjährigen. Zwischendurch Auftriff und Abtritt vereinzelter Dorfjugendlicher. Dann: Ein Kichern. Der Kommilitone neben mir, seines Zeichens Moderator eines bekannten niedersächsischen Radiosenders, grinst breit in die Gegend, setzt sich leicht federnd in Richtung Mischpultmethusalem in Bewegung, wispert ein paar Worte. Die Miene des DJs hellt sich auf: Er kann gehen.

FÜNF STUNDEN SPÄTER: Die Tanzfläche is rappelvoll. Seit fünf Stunden. Beschickerte Medienwissenschaftler aus Hannover tanzen Arm in Arm mit der Dorfjugend, bielefelder Oberstuflerinnen und deren Lehrern. Die Musik ist im Prinzip Dreck, aber in Händen des Meisters aller niedersächsischen Großtanzveranstaltungen wird sie zu einer tödlichen Waffe. Take That (!!) lässt harte Seemänner auf der Tanzfläche zappeln, Michael Jackson (!!!) zwingt gleich ganze Frauenscharen zum Mitgröhlen, Nena (!!!!!!) kommt, sieht und siegt.

Herr A.- schwitzend und glücklich - tritt an das Mischpult heran: "Goebbels isn Scheiß gegen Dich," raunt er bewundernd dem Plattenhexer zu. Ein irritierter Blick, ein ratlos offener Mund, dann Lächeln. "Danke für das Kompliment." Bitte. Reinste, demütige Bewunderung...