Gestern Abend in der U-Bahn wurde ich Zeuge eines grandiosen Spektakels. Direkt nach meinem Einstieg am Hallischen Tor stand neben mir ein Fleischberg auf und brüllte: „Guten Abend, BVG, die Fahrausweise bitte!“ Der Typ vor mir wurde knallrot. Ok, dachte ich, der hat natürlich kein Ticket und jetzt laufen in seinem Kopf die kompletten Panikprogramme ab. Auch wenn man sehr tolerant und weltoffen ist, der Typ sah auch wirklich nicht wie jemand aus, der Geld übrig hatte, um sich nen Ticket zu kaufen. „Vor 5 Station, scheiße, vor 5 Stationen waren eure scheiß Kollegen schon mal hier.“, berlinerte mein Gegenüber. „Das ist doch Belästigung, Arschlöcher!“ Der Fleischberg war kalt wie eine Hundeschnauze. Klar, Beleidigungen würde er sich den ganzen Tag anhören müssen. „Sie führen also keinen gültigen Fahrausweis bei sich?“ „Klar hab ich einen, aber den kriegt von mir nicht zu sehen, wa! Eure scheiße Kollegen, die warn vor 5 Stationen hier!“ Zu dem Fleischberg-Kontroletti gesellte sich die weibliche Variante der BVG, sind immer zu zweit, meistens Mann und Frau. Sie spielte den guten Bullen. „Ok, sie wissen, dass das hier auch nur unser Job ist. Sie brauchen uns nur ihren Fahrausweis zu zeigen und wir werden sie nicht weiter belästigen.“ Schweigen. „Wenn sie ihren Fahrausweis nicht zeigen wollen oder können, sind wir leider gezwungen die Polizei zu verständigen, damit die ihre Identität feststellt.“ Der Falschfahrer, griff wütend in seinen Rucksack, wahrscheinlich um die Glock rauszuholen und alle abzuknallen. Stattdessen holte er den Tagesspiegel heraus und beschäftigte sich offensichtlich mit dem Sportteil. (im Tagesspiegel!) Er hatte auf stur geschaltet, aber die Kontrolleure der BVG haben mit zahlreichen Schulungen und der täglichen Klientel in Berlin die besten Voraussetzungen, um locker flockig mitzuspielen. Immerhin konnten sie dem Herrn vor mir noch entlocken, dass er in Alt-Tempelhof die U6 verlassen wollte. Das kurze Telefonat mit der Polizei war Routine und die würden dann, auf Kosten des Falschfahrers die Personalien feststellen. Das fällige „erhöhte Fahrgeld“ von 40 € ist bei so einer Aktion noch das kleinere Übel. Vielleicht sollte er einfach aufgeben. „Eure scheiß Kollegen!“, platze es aus ihm heraus. Offensichtlich hatte er erkannt, dass im Sportteil des Tagesspiegels keine grundständigen Lösungen der Situation zu finden waren. „Warum ist das so organisiert, dass die nach 5 Stationen schon wieder kontrollieren, dass ist doch Belästigung! Scheiß Service!“ Dann doch wieder zurück zum Sportteil. Der Fleischberg schien sich über die Aktion zu freuen. Nicht so langweilig wie asiatische Touristen, die mit dem 5er Gruppenticket 40 Leute abgedeckt sehen oder Omis, die ihre Seniorenkarte beim Hundefriseur verloren haben. [Alt-Tempelhof] Der Falschfahrer stand auf und wollte, wahrscheinlich allein, den Zug verlassen. Alle anderen Fahrgäste waren gefesselt von diesem kostenlosen Theater auf dem Heimweg. Die beiden BVG Menschen folgten dem weiterfluchenden Verdächtigen auf Schritt und Tritt. Finale: Alle Blicke richteten sich nach draußen. Direkt vor der Tür zückte der Fleischberg das elektronische Eingabegerät für die Aufnahme des Falles. Ich dachte, nun sei die Stunde für einen entschlossenen Sprint oder eine andere Variante eines Ausreißversuchs gekommen. Stattdessen griff der Falschfahrer in die Innentasche seiner Jacke und zeigte den beiden verdutzen gestalten grinsend seine Dauerkarte, drehte sich um und verließ lachend das Gleis, während die beiden Kontrolettis da standen wie Olli Kahn nach dem verlorenen Finale gegen ManU. Ich habe kurz überlegt, ob ich klatschen sollte, aber ein anerkennendes Kichern und der gehobene Daumen musste reichen. Als die Bahn den Bahnhof verließ, verbeugte sich die coolste Sau in West-Berlin noch einmal und war verschwunden.