Mittwoch, 28. Januar 2004
Rückzug
Albtraumjaeger
11:22Uhr | tag: Buender Glas
Die Fahrt zurück – „nach Hause“ – ist immer seltsam. Gleichzeitig Unterbrechung eines anderen, vermeintlich neuen Lebens und Freude über Altbekanntes. Besonders eindrücklich die Fahrt zurück am Kawochenende, wenn der Zug sich durch den Spalt zweier mickriger Hügelketten pflügt und in Fahrtrichtung die ersten Osterfeuer den Blick vernebeln. In meinem Kopf der Nachbar, der zu uns herüberschlendert, zum rauchenden, lodernden Haufen alter Bohlen und frischer Gartenabfälle, bis auf ein Nicken grußlos sich dazustellend, das erste Pils ablehnt, das zweite achselzuckend öffnet, und dann beiläufig der knisternden Stille ein „Der alte Schrank, der müsste auch mal wech,“ beifügt. Der Alte, wie er nach einer Zeit stiller Flammeninspektion das Feld räumt, bald darauf zurückkehrt, eine Schubkarre besten Lackfuniers vor sich her schiebend und es mit Hilfe der Umstehenden auf das Feuer hievt. Im Schein grünlich züngelnder Flammen ein „Brennt.“ von sich gibt, immer noch an seiner Flasche nuckelnd, die er schließlich halbvoll auf einen Weidepfahl stellt. >>> Im Großraumabteil neben mir ein paar Frauen, offensichtlich auf großer Fahrt, alle schick gemacht, um die sechzig, jeder Bahnhof eine Attraktion. „Wie heißt das hier?“ Breiter hiesiger Akzent, Gespräche über Pickart mit Grafschafter - Graf Schafter dachte ich im ersten Lesealter – oder Heidelbeeren in der Saison, gerne auch mal Eierpfannkuchen, sowieso Pfannkuchen, hat nur den Nachteil, das es lange dauert beim Essen. „Essen wir nur noch selten, Heinz und ich. Wird schnell langweilig.“ Und immer wieder Schwenk zurück zu Marianne, die man in Hannover im Krankhaus besucht hat, Brustkrebs, nicht zum ersten Mal, jetzt aber mit Metastasen, eine weiß den Befund zu deuten. „Schlimmschlimm.“ Wenn links in Fahrtrichtung nach Löhne, Kraftwerk, Flussaue etwas zurückgesetzt das alte Gebäude von Bünder Glas auftaucht, Signal zum Umschauen. Wer wühlt in seinen Taschen, schließt sein Solitaire-Spiel unter blankem IBM-Deckel, greift nach Jacke und Koffer. Ein paar vor zwei Stationen zugestiegene Schüler, vertieft in Rollenspieldiskussionen, Trefferpunkte, Abwehrzauber, ein Rentnerehepaar, ein als Weltbürger verkleideter Student, durchweg unbekannte Gesichter. Der überwiegende Teil sitzt ruhig da, die Gelegenheitsfahrer kurz aus dem Fenster blickend, „Wie heißt das hier?“, ich stehe auf, gehe ein paar Abteile in Fahrtrichtung, es regnet. Eigentlich regnet es selten, wenn ich zurück fahre. Die Frauenkombo bleibt sitzen, man muss nach Osnabrück, so viel konnte ich erlauschen, das dauert noch zwanzig Minuten. Im Abteil hinter der Lok bleibe ich stehen, bin zwar lässig gegangen, trotzdem zu früh, der Zug rollt noch, aber links schon die Überdachung. Mein Gepäck ist leicht, ein Rucksack, was ich vergessen habe, kann ich mir leihen. Wichtig nur das Notebook mit den leeren Dokumenten, die gefüllt werden sollen. Natürlich werde ich abgeholt, öffentliche Verkehrmittel habe ich noch nie benutzt hier, ich wüsste nicht mal, wo man Tickets kauft. Auf dem Weg nach Hause passieren wir den Jibi-Markt, dessen Namen Kommilitonen von mir, als sie mich besucht haben, so seltsam fanden, dass sie spontan anhielten, um sich das Ding von innen anzuschauen. Noch heute erzählen sie, wie sie kichernd durch die wenig spektakulären Gänge liefen, um dann am Zeitschriftenstand des Jibi-Marktes ein Yps-Heft zu erspähen, das erste Yps seit Jahren, das hat sie beeindruckt. Jibi ist seitdem eine feste Größe. Immer wieder mal überlege ich mir, wie Fremde meine Heimatstadt wohl sehen. Wahrscheinlich nichtssagend, möglicherweise hässlich. Hier gibt es keinen Straßenzug, sagte mal einer, der nicht durch mindestens eine architektonische Sünde verschandelt wurde. Zuhause angekommen baue ich sofort mein Notebook auf, ich muss mich beeilen, mehr als zwei Stunden am Stück kann man hier nicht arbeiten, weil es andauernd was zu essen gibt. Die ersten zwei Stunden verstreichen mit Nichtstun, nach dem Essen und einer halben Kanne Grünen Tees dann ein paar Zeilen. Ein Anfang. ... Comment
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