MEMOMARATHON: Stimmen
Dienstag, 7. September 2004
MEMOMARATHON: Stimmen

DIE IDEE: Der Kurzgeschichten-Zyklus "Das Floß" ist der (zugegebenermaßen relativ sentimentale) Versuch, Tagträume, Wirklichkeitsfluchten und Phantasien ganz verschiedener Personen festzuhalten. Sprachstil, Form und "Ernsthaftigkeit" der einzelnen Geschichten sind dabei völlig freigestellt.

DAS PROZEDERE: Den Rahmen für den Zyklus habe ich bereits geschrieben, er ist kursiv gesetzt. Wenn Ihr ein neues Kapitel schreiben wollt, kopiert bitte diesen Einleitungsteil (DIE IDEE und DAS PROZEDERE) und den Rahmen, legt eine neue Geschichte mit dem Topic "Das Floss" an, fügt den kopierten Text dort ein und schreibt Eure Geschichte darunter. Als Titel nehmt den Titel Eurer Episode.

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Wenn die Fenster erloschen sind, ein leiser Regen die Letzten in die Häuser zwingt und der Wind den Abfall der Straße vor sich her treibt, träfe man auf eine äußerst merkwürdige Gesellschaft – unten, am Fluss – trieben Feuchtigkeit und Kälte einen nicht zurück ins Haus oder die Wohnung, ins Schlafzimmer oder auf die provisorische Schlafcouch, Hauptsache, ein Dach und etwas Wärme in dieser Nacht. Die Gestalten am Fluss stört dies wenig, tatsächlich sind Zeitpunkt und Witterung ihrer Treffen mit Bedacht so gewählt, dass niemand sie so, scheinbar schweigsam stehend, jeder und jede ganz in sich selbst versunken, anträfe oder gar störe. Ihre Zahl ist schwer zu schätzen; Bäume, Weiden vor allem, stehen zwischen Ihnen und um sie herum, und auch sie, die dort stehen, kennen ihre Zahl nicht genau, können sich kaum sehen zu dieser Zeit an diesem Ort. Ein Autoscheinwerfer oder das Licht einer Lampe nähme diesem Bild schnell die romantisch- mystische Attitüde, die es durch die Umstände des Zusammenkommens nur zu leicht erhält. Das kurz aufblitzende Licht eines Feuerzeugs, das für kurze Zeit – geschickt abgedeckt – dem kalten Wind trotzt, deutet den wahren Anblick der Gruppe an, der sich bei hellem Tageslicht dem Spaziergänger böte.

Der Zweck dieser Zusammenkunft ist jedes Mal derselbe: Man baut ein Floß. Aus Weidenholz und fester Schnur, mit einigen Nägeln, Teer und Tuch wird ein großes Holzfloß gefertigt, das Platz für all jene bietet, die sich hier regelmäßig versammeln. Und doch ist es jedes Mal ein anderes. Genaue Form und Farbe des Gefährts wechseln ebenso wie Abfahrtszeit und Besatzung. Und immer steht eine andere der grauen Gestalten am Ruder, bestimmt die Fahrtziel und Fahrtrichtung.

Nach einiger Zeit der Sammlung und des Schweigens erhebt jemand die Stimme: „Ich habe ein Floß gebaut.“

-- Der Wind schnitt durch die klammen Sachen, die Stimmen, die er ans Ufer trug, erschienen näher erst, dann kamen sie. Er zitterte, krümmte sich in der Kälte, schloss die Augen, erkannte sie. Stimmen zweier Konstrukteure, so wie er. Geschichtenerzähler und Idioten. Ein paar Meter entfernt hielten sie an. Sie stritten. Über Alltag, den sie mit hierher, an ihren Fluss getragen hatten, den ihre Stimmen trotz der ungeheuren Last, die er bedeutete, nicht müde wurden, durch die kalte Luft einander zuzuwerfen. Die Augen hielt er weiterhin geschlossen und sie entdeckten ihn nicht. Der Alltag klang, als hätten sie sich irgendwann einmal geliebt, so hart war er und so genau und auch so erbsenzählerisch auf langen Listen aufgereiht und so verbittert. Und dann, als ob der Alltag ihnen plötzlich ausgegangen war, bemerkten sie den Mann, die klammen Sachen und die fest geschlossnen Augen regungslos am Ufer liegen. Die Stimmen überkamen ihn und bellten hektisch Hilfe in die kleinen Telefone und stritten wieder kurz über das Ob und Wie von Hilfeleistung, Seitenlage, Ansteckungsgefahren. Erkannten sie ihn nicht? Nein, ohne diesen einen ersten Satz, der ihn sofort verraten würde, blieb er einfach nur ein Haufen nasser Mensch mit fest geschlossnen Augen. Warum, dachte der Teil ihn ihm, der sich mit Denken an das Leben klammerte, warum sind sie hierher gekommen, um zu streiten? Verräter, dachte dieser Teil in ihm und konnte nicht verstehen, dass es dem Fluss egal war, ob man an ihm stritt, ob man sich an ihn klammerte, ob man in ihm verreckte, ob man an seinen Ufern lag und nicht mehr wusste, welcher Schritt als nächster kam.

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>Die Stimmen überkamen ihn und bellten hektisch Hilfe in die kleinen Telefone und stritten wieder kurz über das Ob und Wie von Hilfeleistung, Seitenlage, Ansteckungsgefahren.

Schön.

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