Bin am Wochenende auf eine Seite gestoßen, auf der es um den so genannten polyphasischen Schlaf ging. Was ohnehin schon etwas esoterisch anmutete, entpuppte sich als typisches Meme. Auf den ersten Blick erscheinen die Argumente ganz plausibel: So, wie viele Ernährungsratgeber empfehlen, viele kleine Mahlzeiten zu sich zu nehmen, um Verdauungsapparat und Kalorienbedarf konstant zu bedienen, sollte der Schlaf auf eine größere Zahl von kurzen Schlafphasen verteilt werden können. Dadurch solle man seine gesamte Schlafzeit auf insgesamt bis zu zwei Stunden (Uberman-Modell) reduzieren können. Das erscheint in unserer effizienzhungrigen Zeit doch sehr reizvoll. Zugegeben, ich war kurz davor, es selbst einmal mit einer der gemäßigten Varianten des polyphasischen Schlafs auszuprobieren.

Weitere Suchen entpuppten, dass in den vergangenen vier Jahren eine ganze Reihe von Bloggern auf diese Sache angesprungen sind. Vorreiter sollen amerikanische Blogger gewesen sein. Einer davon ein Trainer aus Las Vegas, der angeblich fast ein halbes Jahr im Uberman-Zyklus überstanden hatte und laut eigenen Angaben nur aus sozialen Gründen wieder auf das konventionelle Schlafen umgestiegen war. Natürlich ist ein auf alle vier Stunden verteilter Rhythmus von 20 Minuten Schlaf mit der Aussicht auf ein nahezu schlaffreies Leben wie gemacht für die Eigenbrötler dieser Welt. So ein Projekt muss ja ausführlich dokumentiert werden und man hat eine Menge Zeit, seine Befindlichkeiten zu beschreiben. Auffällig war nur, dass die meisten Blogger nach wenigen Wochen aufgehört haben. Die Propheten des polyphasischen Schlafes berichten hier von einer Schwelle, die es zu überwinden gilt, bis sich Körper und Geist auf den neuen Takt eingestellt haben. Experten sagen andererseits, dass ein kontinuierlicher Schlafentzug schlicht irgendwann seine Grenzen hat. Auch berichten die meisten Blogger, dass sie die gewonnene Zeit nicht wirklich produktiv nutzen konnten, weil sie irgendwie keinen klaren Gedanken fassen konnten. Der wundervolle Effekt, dass man nach dem Uberman-Modell schneller einschläft und die gewünschten, intensiven Schlafphasen erreicht hat sicher auch mehr mit dem Schlafentzug als mit einem Trainingseffekt zu tun.

Polyphasischer Schlaf ist nicht grundsätzlich falsch. Ein Mittagsschlaf hier, eine Siesta da kann eine gute Ergänzung zu einer gesunden Portion Schlaf sein. Ein 22-Stundentag ohne Risiken und Nebenwirkungen wäre zweifellos wesentlich früher entdeckt worden und hätte mehr Nachahmer gefunden. Solche Supermensch-Geheimtechniken werden auch in Zukunft auftauchen. Dabei sollte man wohl eher seine Ziele so gestalten, dass einem ein schlafloses Leben nicht als sinnvolle Option erscheint.