Cool, Deal!

Gern. Für mich hat sich der gesamte Sachverhalt wie folgt dargestellt: Habe mich gefreut, dass meine Anreise in die andere Landeshauptstadt trotz Bergschäden in Essen und Umwegen über Dortmund einigermaßen problemlos verlaufen war. Bei meiner Ankunft in Hannover war ich dann etwas überrascht, als ich - bekleidet in Alaska-Blizzard-Parker und Schneestiefeln mit Steigeisen- von Herrn A. in kurzer Hose, T-Shirt und Flip-Flops am Gleis abgeholt wurde. Gut, dachte ich. Der Herr A. is halt nen harten Hund. Also. Schnell die Arbeitskleidung und das Werkzeug ins Schließfach geworfen, um noch rechtzeitig zu einem sog. Pre-Glowing mit dem™ DM-Fan aus Hannover und unbekannten Menschen aus der Medienbranche zu gelangen. Auf dem Weg zum Ausgang in der Nordsee ein schnelles Fischbrötchen geangelt (kalte Panade schmeckt nicht) und beim Express-Shop eines Drogeriefachgeschäfts Büchsenbier erworben (Becks, mittelkalt und Elefanten-Starkbier, sehr kalt). Beim Verlassen des Hauptbahnhofes plötzlich der Schock: Die Tickets waren weg. Also weg im Sinne von: Das Konzert findet ohne uns statt. Nicht im Sinne von, auf dem Küchentisch vergessen und wir verpassen die Vorband. Sondern wech, im Sinne von „irgendwo“ im Hauptbahnhof Hannover verloren oder entwendet bekommen. Nun. Hektik. Nach dem obligatorischen Check aller Körperfalten und sonstigen Aufenthaltsmöglichkeiten, viele Taschen gab es ja nicht in den Bermuda-Shorts, kurze Lagebesprechung. Fazit: Alle möglichen Orte und Wege mussten noch einmal aufgesucht und abgegangen und die Menschen dort befragt werden, in der Hoffnung, die Tickets vielleicht wieder zu erhalten. Chancen: Nicht berechenbar. Also: Zurück zu den Schließfächern, Fehlanzeige. Nordsee, ebenfalls Fehlanzeige (Beschimpfung wegen ekliger Panade auf später verschoben). Beim Rossmann-Express an der Kasse hatten wir auch wenig Erfolg. Also schien der Abend insofern gelaufen, dass wir ihn zumindest nicht mit 13.000 anderen Menschen und Depeche Mode verbringen würden. Kurz vor dem Eingeständnis des Scheiterns, ein letzter Gang zum Informationsschalter. Das ist ja bekanntlich der Ort, wo gestrandete Manager ihren Frust über die schlechte Sitzheizung und den kalten Kaffee in der Ersten Klasse adressieren können, Menschen ohne Smartphone nach Zugverspätungen fragen und dann von Mitarbeitern mit privaten Smartphones mit den entsprechenden Informationen versorgt werden, weil das bahneigene Netz wegen einer Störung des Intranetz vorübergehend nicht erreichbar ist. Das ist auch der Ort, wo der Kassenwart vom Kegelklub „Gut Holz 1904“ aus der Nordstadt mal eben die Mannschaftsfahrt ins Sauerland durchbuchen möchte und nicht versteht, dass die nette Mitarbeiterin keine 780 Euro in 50 Cent-Münzen annehmen kann. Zusammengefasst also so etwas wie der Vorfluter in einer großen Kläranlage, wo die gröbste Scheiße hängenbleibt. Da möchte man in der Regel nicht hingehen, weil man eh nur enttäuscht wird. Zurück zum Thema: An genau dieser letzten ausgetrockneten Oase der Hoffnung sollte sich unser Schicksal zum Guten wenden. Denn wir wurden schon vom Mitarbeiter des Rossmann-Expresses erwartet, der nur noch kurz wissen wollte, um welche Art von musikalischer Darbietung denn handeln würde. Die Karten waren abgegeben worden. In einem Großstadt-Bahnhof. 2 ½ Stunden vor Konzertbeginn. Kurzum. Einige Karaffen und erleichterte Gefühlsausbrüche später, lauschten wir in einer großen Mehrzweckarena am Rande der Stadt den Klängen der großen Band von der Insel und fühlten uns dabei sehr gut unterhalten. Am Rande sei noch zu erwähnen, dass wir einem unbekannten jungen Mann in der U-Bahn gemeinschaftlich ein Geburtstagsständchen vorgetragen, ein paar Getränke mit diversen Fans und Nichtfans eingenommen und einige Mal die irre Geschichte der verlorenen Tickets erzählt haben. Aber davon genug: Es war ein sehr gutes Konzert. Erfahrene Profimusiker, die ihr Fach und das ebenfalls erfahrene Publikum nach Belieben beherrschten. Die zweite Hälfte der Show haben wir stehend und mitsingend verbracht, was wohl an der Mischung aus alten Liedern und auch an dem steten Fluss aus hellem Gerstensaft lag. Im Überschwang wollte Herr A. sogar zwei neben uns sitzende (!) und ziemlich unlockere Gäste mit Getränken im Gegenwert eines Kleinwagens beglücken, aber Bettina und Rolf (Namen frei erfunden) wollten wohl keinen Spaß haben und zumindest Rolf hat dann auch nicht mal bis zum Ende des Konzertes durchgehalten. Mangelndes Durchhaltevermögen war uns dann höchstens bei der exklusiven Aftershow-Party in einem Bunkergewölbe vorzuwerfen, aus dem wir uns nach wenigen Minuten wieder verabschiedeten - an unserer Seite die stete Gewissheit, dass wir mit unserer Verlust- und Wiederkehrgeschichte bereits das größte Highlight der Nacht erlebt hatten. Danke für die gute Zeit und die leckeren Quarkbrötchen aus dem eigenen Ofen! Ich hoffe, die Erkältung wegen der leichten Bekleidung bleibt aus.