Reden wir mal über mein Schweizer Messer. Ich habe keine Ahnung das wievielte es jetzt schon ist, aber ich trage es a-u-s-n-a-h-m-s-l-o-s immer bei mir. Was häufig ein Segen ist, aber am Flughafen regelmäßig zu traurigen Abschiedsszenen führt. Immer dann nämlich, wenn ein weiterer kleiner roter Freund im Müllsack der Security verschwindet. Weil: Ist klar - der Koffer ist längst eingecheckt und der Flughafensafe 1000 Meter entfernt und so teuer wie ein Parkplatz. Die ersten beiden Male hat meine Liebste mir noch Ersatz geschenkt, aber inzwischen besorge ich den Nachschub gleich selbst.

Ich kaufe mir immer das gleiche Messer, das so genannte Waitor-Messer. Also mit Klinge, Korkenzieher, Flaschenöffner, Pinzette und Zahnstocher. Der Zahnstocher, auch das gehört dazu, ist dann nach drei Monaten verschollen. Ich könnte, das läge an dieser Steller vielleicht nahe, anhand meiner Messer die vergangenen 20 Jahre meines Lebens Revue passieren lassen. Vor allem die zahllosen Betränknisse, deren Zeuge und stummer Förderer diese Messer waren. Sowie all die Situationen, in denen ein "Hat zufällig jemand ein Messer oder so was dabei?" mit einem lässigen "Ja, ich. Wieso?" quittiert werden konnte.

Das Ding ist nur: Es bringt nichts. Es dankt einem nämlich keiner. Na klar, ist schon super, wenn sich Wein- bzw. Bierflaschen dank meines Tascheninhalts einfach öffnen lassen. Und dann kommt auch schon mal ein "Cool. Danke." Und zehn Minuten später ein "Hey, sag mal, Du warst doch der Typ mit dem Taschenmesser! Kann ich das noch mal haben?" Aber Dankbarkeit im Sinne von: "Dieses Messer (genauer: Deine Umsicht, es mitzuführen) hat mir/uns/Schlappie/der Menschheit das Leben gerettet!" - sowas passiert nicht. Ich bin im Gegenteil sogar davon überzeugt, dass mitgeführte Taschenmesser (ähnlich übrigens wie Feuerzeuge) erinnernswerte Situationen verhindern. Weil die Nichtverfügbarkeit von Messern und anderen Werkzeugen die Menschen erfinderisch macht und Situationen, die trotz mächtig beklagten Messermangels gemeistert wurden, zu Legenden.

Ich muss mir eingestehen, dass McGyver eine Lüge gelebt hat. Das Schweizer Messer ist dem Menschen nicht Universalwerkzeug und Werkzeugersatz, nicht komfortable Hilfe und Lebensretter, es ist ein Legendenverhinderer. Eine "Oder-so"-Maschine. Ein Freund kann mir stundenlang erzählen, wie er eine wichtige/zeitkritische/komplexe Tätigkeit letztlich ganz ohne Hilfsmittel ausführen konnte; und ich antworte nur: "Hätte ich ja einfach mit meinem Messer gemacht" Und er: "Oder so."

Bedeutet: Außer skeptischen Blicken der Sicherheitsbeamten am Flughafen hat mir mein Taschenmesser wenig Aufregendes beschert. Lediglich morgens beim Ankleiden, wenn die alltägliche Kontrollgriff-Folge "Handy - Schlüssel - Messer - Portemonnaie" am Punkt "Messer" ins Stocken gerät, steigt der Adrenalinpegel ein wenig. Es spricht insgesamt aber viel dafür, dass mein Messer mein Dasein endgültig zu einer tristen Abfolge lösbarer Probleme degradiert. Da ich derzeit viel in Berlin bin, werde ich die Tage mal nach Handfeuerwaffen Ausschau halten. Damit soll ja - rein Drama-technisch - noch einiges gehen.