Die ganze Familie ist mit Kindergartenviren versorgt und verschnupft – außer der Kleine, der ist schon wieder fit. Seit Tagen spricht er von fast nichts anderem als „Feuerwerk“. Bei jedem Abendspaziergang hört er, wie ein paar Teenager Böller zünden, schreckt bei jedem Böller zusammen und verkündet stolz, er habe schon gar keine Angst mehr vor Feuerwerk. Nach schwieriger Diskussion mit dem Liebsten wird entschieden, dass der Kleine aufbleiben darf, bis er wirklich sehr müde ist. Am Nachmittag schläft er extrem lange und ist am Abend topfit. Es wird gespielt, gesungen und gegessen. Gegen 22.00 Uhr merke ich, dass der Kleine wahrscheinlich bis zwölf durchhält, ich aber nicht. Auch verzweifeltes beträufeln der Kontaktlinsen hilft da nix mehr. Wir machen den überteuerten Kinderchampagner auf, stoßen auf das neue Jahr an, machen uns bettfertig, nehmen das Baby aus dem Tragetuch und legen uns alle ins Elternbett, um gemeinsam noch aus dem Fenster verfrühte Raketen anzuschauen. Wir Eltern gähnen, beide Kinder liegen strahlend im Bett und sind hellwach. Bei jedem Knaller springt der Kleine auf und fragt: „Ist schon Mitternacht?“ Gegen 23.15 Uhr schläft mein Liebster und das Baby auch. Der Kleine springt noch immer auf meinem Liebsten rum. Um 23.45 schläft er zufrieden auf dem Vater ein. Jetzt bin ich wach. Um Mitternacht stehe ich am Fenster und sehe hunderte, tausende von Raketen am klaren Himmel explodieren. Was für eine Show! Mein erstes Sylvester bei den Nachbarn, Böllersammeln am Morgen, Sylvesterparties, Bela ciao, Sekt und Freudentaumel, Schneegeküsse schießen mir durch den Kopf und aus den Augen. Ich gehe ins Schlafzimmer zu den drei schlafenden Jungs und trage den Kleinen zum Fenster. Er macht kurz die Augen auf und blinzelt aufs Feuerwerk, dann schläft er lieber weiter. Mein Liebster und ich schauen jetzt gemeinsam auf die Blitzlichter und grinsen. Frohes Neues Jahr! 2015 wird gut, 2015 wird ein neues Haus bezogen, eine neue Arbeit gefunden, das Baby seinen Charakter zeigen und wir noch besser. Irgendwann schlafe ich, hektische Träume wecken mich - ich muss am nächsten Morgen auf Dienstreise nach Duisburg, hab aber vergessen zu schlafen und sie zu beantragen, meine Eltern bringen mir ein Auto, aber das will ich gar nicht, ich schaffe es nicht bei Google Maps zu recherchieren wie lange man eigentlich nach Duisburg braucht - um 3.30 will das Baby Milch trinken und eine neue Windel haben, um 6.00 Uhr grunzt und jammert es wieder unruhig neben mir, nach einer Ewigkeit merke ich, dass das Baby komplett nassgepillert ist. Nach dem Trockenlegen noch mal Milch, Schnotten absaugen, Nasenspray, trösten. Um 7.30 schläft es ein und um 8.00Uhr höre ich aus dem Nebenzimmer „Ist jetzt schon Mitternacht?“ Ich starre auf die Überreste der Sylvesternacht: allerlei vollgekotzte und vollgepillerte Wäsche auf dem Boden verteilt, daneben volle Windeln und eine beschmierte Wickelunterlage, auf dem Tisch die halbleere Flasche Walt Disney Champagner. Ein ganz normaler Neujahrsmorgen.