Das zweischneidige Schwert
Montag, 9. Dezember 2002
Das zweischneidige Schwert

Es ist der Schlüssel zum Herrschen. Zum Knechten all jener, die es verloren, nie besaßen oder nicht mehr schärfen können. Der Weg ist gepflastert mit den Besiegten, die am Boden liegen, gefesselt mit den unsichtbaren Ketten der Macht, und nun ihr Leben lang aufschauen müssen.

Doch überwältigend ist das Gefühl der Sieger. Eine Raserei des Glücks dem, der die schärfere Schneide führt, denn immer wird er den Kampf gewinnen. Das Glück wird zum Rausch, überblendet alles, selbst den eigenen hohen Preis. Der Glaube an das eigene scharfe Schwert wird Sucht. Es gibt keine Grenzen mehr, am Ende des Weges winkt der Thron. Und so geht er, rennt er weiter, immer weiter. Kampf um Kampf. Immer größer die Gefahr, selbst besiegt zu werden und dann ein Leben lang nur aufzuschauen. Doch selbst wenn die Zeit auf dem Thron noch so kurz sein mag, bis einer mit der nächsten schärfsten Schneide kommt: wer einmal rennt, kehrt selten um.

Lange ist es her, dass ich selbst kämpfte, und manchmal überkommt es mich heute noch. Viele Jahre komme ich nun schon auf den kleinen Hügel abseits des Weges. Viele Sonnen sah ich untergehen. Selten, ganz selten konnten die vielen Besiegten mit ihren Knüppeln und stumpfen Schwertern einen zu Fall bringen, mit seinem scharfen Schwert. Und waren die Ketten gerade gesprengt, kam schon wieder ein anderer, oft war er längst da. War einst einer der ihren, der sie nun wieder zu Boden stieß, sie zu knechten, zu ihnen hinabzuschauen, um dann selbst den Weg entlangzurennen.

So sah ich viele, die versuchten zu kämpfen, manche siegten und rannten. Wenige kamen auf den Thron. Und selbst dort kommen neue Fragen.
Jeder Sieg der scharfen Schneide ist neues Ringen, sind neue Fragen, sind gleich viele neue Kämpfe, die die zweite Schneide bringt. Doch betäubt vom Nebel des Glücks überlegener Erkenntnis, kann kein Sieger es sehen, er erkennt nicht das Verhängnis der zweiten Schneide; und für die wirklich Besiegten, die Gebrochenen ist es zu spät, sie fügen sich, ein Leben lang nur noch aufzuschauen.

Längst ist Glück nur noch die Schärfe des eigenen Schwertes, längst ist der Kampf Weltreligion. Und während sie kämpfen und rennen, dem Glück hinterher, feiern die Dämonen ein Fest, tanzt der Teufel in seinem verborgenen Schattenreich. Ihr Menschen kommt endlich zur Ruhe; seht ihr nicht die zweite Schneide? Wer hat je einen Kampf gewonnen, ohne neue Fragen? Wer konnte je die letzte Antwort geben?

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Re: Das zweischneidige Schwert

> Wer konnte je die letzte Antwort geben?

Niemand. Ohne Ausnahme niemand.

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Re: Das zweischneidige Schwert


kirchenasyl

das licht dringt nur schwerfällig durch
die schmalen fenster unter der decke, so dass
mittelschiff und altarraum ganz verschommen wirken.
als wären meine augen kaum geöffnet oder vom schlaf
noch traege. dennoch fuehle ich mich erstaunlich frisch
(fuer diese uhrzeit), gleichzeitig entspannt und ...

geborgen? tatsaechlich kommt es mir vor, als waere ich
nach einer langen zeit nach hause gekommen. ein zuhause,
in dem ich vieles alte wiedererkenne, ein zuhause, das ich
zu moegen scheine. fuer ein paar augenblicke habe ich meinen
hader mit dem sogenannten gotteshaus beiseite geschoben; ich
gebe zu, mir gefaellt die vorstellung, ganz dazuzugehoeren.

es ist nicht das erste mal, dass ich in einer kirche solche
gedanken hege, doch kommt es immer seltener vor. es gab momente,
in denen ich haette schwoeren koennen, raeume wie diesen hier
nie mehr zu betreten. wegen der menschen dort, wegen der lehre dort,
wegen gott. meine besuche hier sind wirklich immer weniger geworden,
manchmal glaube ich, dass ich der kirche entwachsen bin.

heute finde ich all' die dinge wieder, derentwegen ich einmal gerne
hier war, die mich versoehnt haben mit dieser aufgeblasenen mythenwelt,
diesem angeblich konkreten gott, diesem lebendigen christsein.
ich schwoere, ich waere ein guter autor fuer geistliche schriften: das
vokabular ist bekannt, ueberzeugung kann man heucheln.

die predigt ist wirklich gut, als haette der pastor den zweifler, den
thomas, wie christ sagt, in der gemeinde erkannt. huesch, loev, adorno,
paulus: die reihe der zitierten zeugt von bildung, verwurzlung, toleranz.
jedes wort trifft, jede argumentation schlüssig und der gehalt - boese
gesagt - unangreifbar. er weiss, wie er mich packen kann; ich
durchschaue ihn und lass' mich dennoch treiben.

die zweifel, meine, andere, sind anderswo notiert. ebenso alternativen
hierzu, gottlose wohlgemerkt, deshalb heissen sie ja so. gedanken
ueber den restlichen sonntag schlagen sich ihren weg frei. ueber die
fast notorische post-klerikale depression, die konfrontation mit dem,
was ich alltag nenne. eine neue woche, in der kein christus kommen wird
(nicht mal ein jesus), kein heiliger geist spürbar ist, eine woche voller
u-bahnen und vorlesungen, chorproben und mahlzeiten, freundschaft und
lust.

und während ich aufstehe, und während ich schreibe, begruessen mich die
gottlosen zurueck in ihrem kreis. machen wir es uns schwerer, oder
leichter? die kirchenpforte oeffnet sich, der pfarrer schuettelt haende.
und ich? und gott? jeder schritt ist wie ein jahr und bald trennt uns
die ewigkeit, vater.

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