Klappstullengeschichten: Episode Eins
Donnerstag, 26. Dezember 2002
Klappstullengeschichten: Episode Eins

Mit dieser Rubrik möchte ich unserem Schwimmbecken voller Gehirne einen weiteren Köder hinzufügen. Man kennt mich (wenn man mich kennt) als begeisterten Koch und ich habe schon auf der Urversion von Euphorika versucht, dieser Kunst und Leidenschaft Raum zu schaffen. Eine weitere Sammlung von unterschiedlichen Rezepten an dieser Stelle zu beginnen wäre zwar möglich, würde jedoch meiner Meinung nach der unausgesprochenen Grundidee des Euphorika.weblogs widersprechen. Außerdem kochen einige Euphorikanten gar nicht oder nur zum Zwecke der täglichen Ernährung, was ihr gutes Recht ist. Darum wollte ich die Sache für alle Beteiligten etwas spannender machen. Hier ist also meine Idee: Das Grundprinzip ist angelehnt an das Konzept von Alptraumjäger, welches er für den Geschichtenzyklus "Das Floss" verwendet hat. Anstatt es umständlich zu erklären, beginnt die Show sofort mit einem konkreten Beispiel:

Es gibt eine gleichbleibende Einleitung, die kursiv geschrieben ist und die immer mitkopiert werden soll. Alles Folgende wird dann vom jeweiligen Autor weitergeführt.

Man begreife das Brot, welches hierzulande in den unterschiedlichsten Arten und Formen erhältlich ist, als ein Medium. Man isst es als Beilage zu und als Einlage in Suppen, zerreibt es zu Krümeln und hüllt damit Fleisch vor dem Braten ein oder man füttert damit Enten. Die einfachste und klassische Methode ist jedoch, es mit etwas zu belegen, zu bestreichen und/oder zu bestreuen und es dann, wo immer man auch ist, zu essen. Der Vorgang der Zubereitung einer Stulle hat etwas Magisches: Man kombiniert Dinge mit Brot, verleiht dem Brot ein neues Erscheinungsbild und einen neuen Geschmack. Dieser Prozeß kann unzählige Entscheidungen innerhalb einer Sekunde erfordern, kann kreativ, unterbewußt, lieblos oder unter widrigen äußeren Umständen erfolgen. Das belegte Brot begleitet uns fast unser ganzes Leben, viele Geschichten sind fest damit verbunden und doch wurde uns diese Tatsache nie so recht bewusst - bis jetzt ...

Als ich das meisterhafte Brot erfand Es war ein langer Tag gewesen bis zum Abend. Die Reise per Bahn nach Hause zu meinen Eltern war wie gewohnt ereignislos. Der Hunger trieb mich naheliegenderweise in die Küche, in der das Abendessen längst ohne mich stattgefunden hatte, da ich, wenn auch nicht unerwartet, doch zumindest unerwartet spät angekommen war. Ein Brot sollte die schnelle Lösung sein. Der Faktor Zeit spielte für die folgenden Ereignisse eine wichtige Rolle. Hätte ich nicht so einen Riesenhunger und somit Zeit gehabt, hätte ich vielleicht eine Kleinigkeit gekocht. Doch es war so, wie es war. Die Brotschneidemaschine trennte säuberlich zwei sechs Millimeter dicke Scheiben Graubrot vom Laib. Die erste Scheibe war auf der einen Seite etwas trocken geworden. Diese tat ich in den Toaster, der die Trockenheit in eine knusprige Gesamtsituation überführen sollte. Die andere, frische Scheibe bestrich ich mit frischer Butter, die meine Eltern bei einem Bauernhof gekauft hatten. Ich hatte immer gedacht: "Butter ist Butter - streichbares Fett eben", bis ich diese Butter probiert habe. Es ist blanker Wahnsinn! Eine geschmackliche, exquisite Sondervorstellung für die Sinneszellen. Man muss solche Butter probieren, wenn man das noch nicht getan hat und erst dann kann man es nachvollziehen. Ich fand frischen Raukesalat und wusch eine handvoll der gezahnten Blätter unter dem Wasserhahn. Danach ließ ich sie auf einem Blatt Küchenkrepp abtropfen. Das frisch getoastete Graubrot sprang nun aus dem Toaster, war für das Bestreichen mit Butter zu heiß. Die schnellere Lösung befand sich in einem Glas mit der Aufschrift "Dijonaise", was eine Kreation aus Majonaise und Dijonsenf sein soll. Diese verteilte ich reichlich auf dem warmen Brot. Darauf legte ich einige dünne Scheiben geräucherten Schinken. Eine großzügige Schicht der Raukeblätter wurde dann mit der anderen Scheibe Brot bedeckt. Fertig. Ich hatte eine kulinarische Droge erfunden, eine beinah zufällig enstandene Komposition von Konsistenzen und Geschmackskomponenten, die mich dazu veranlasste, dieses Brot genau so gleich nochmal zu machen. Beim darauffolgenden Abendbrot wiederholte ich das Ritual. Dieses meisterhafte Brot habe ich seitdem nicht mehr gegessen. Meistens fehlte Raukesalat und diese Butter haben meine Eltern auch schon lange nicht mehr gekauft. Das ist schade, denn manchmal erinnere ich mich daran und denke: "Mann, das war ein echt leckeres Brot!"

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Re: Klappstullengeschichten: Episode Zwei

Ich hoffe, ich hab dein System kapiert...

Man begreife das Brot, welches hierzulande in den unterschiedlichsten Arten und Formen erhältlich ist, als ein Medium. Man isst es als Beilage zu und als Einlage in Suppen, zerreibt es zu Krümeln und hüllt damit Fleisch vor dem Braten ein oder man füttert damit Enten.
Die einfachste und klassische Methode ist jedoch, es mit etwas zu belegen, zu bestreichen und/oder zu bestreuen und es dann, wo immer man auch ist, zu essen.
Der Vorgang der Zubereitung einer Stulle hat etwas Magisches:
Man kombiniert Dinge mit Brot, verleiht dem Brot ein neues Erscheinungsbild und einen neuen Geschmack. Dieser Prozeß kann unzählige Entscheidungen innerhalb einer Sekunde erfordern, kann kreativ, unterbewußt, lieblos oder unter widrigen äußeren Umständen erfolgen.
Das belegte Brot begleitet uns fast unser ganzes Leben, viele Geschichten sind fest damit verbunden und doch wurde uns diese Tatsache nie so recht bewusst - bis jetzt ...

Anna hatte jeden Tag ein Nutella- und ein Leberwurstbrot dabei. Ihre Mutter - von uns allen Mama genannt - stand jeden Morgen früh mit den Kindern auf und schmierte meiner besten Freundin die Schulbrote. Und verpackte sie in diesen Tupperdosen, die immer so aussahen, als könnten sie auch noch den Vierten Weltkrieg überdauern. Unter dem luftdicht verschlossen Plastikdeckel lauerten die grössten Genüsse der Welt: frisches Graubrot, triefendes Nutella, Leberwurst, die sich im Laufe der ersten drei Stunden in jeden Brotkrümel gegraben hatte.
Anna war klapperdürr und wollte das auch bleiben. Deswegen - same procedure every day - hob sie stets den Deckel, schaute hinein und sagte mit angewidert: "Bäh, schon wieder das gleiche...!"
Clara hatte gar keine Brote. Schon gar nicht mit Nutella oder Leberwurst. Wenn Clara Brote gehabt hätte, wäre Schwarzwälder Schinken drauf gewesen. Oder schlimmer: halb verschimmelter (hihi, erinnerst du dich, schokoqueen?) Schnippel-Schinken.
Aber Clara hatte etwas anderes: fünf Mark. Fünf Mark sind gleich hundert Blätter Esspapier. Oder mindestens fünf Matschbrötchen. Oder eben zwei Matschbrötchen (für Anna und Clara) und eine Bravo.
Bis heute ist mir allerdings völlig unklar, warum Anna immer noch spargeldürr ist und man Clara alle Matschbrötchen des Lebens ansieht. Denn Anna hat Clara nie ihre Brote gegeben...

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Re: Re: Klappstullengeschichten: Episode Zwei

Ja. Perfekt. Alptraumjäger hat sich da zwar noch ein verrückteres, komplizierteres,aber besseres System ausgesdacht, um Geschichten zu veröffentlichen, aber so geht es auch.
Danke für die Zweite Klappstullengeschichte!

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Re: Re: Klappstullengeschichten: Episode Zwei

Anm. d. Red.: Kennt jeder Matschbrötchen? Ich meine, nur für den Fall: Brötchen mit Schokokuss dazwischen.
Rüdiger Hoffmann soll auf einer Tournee desöfteren für Gelächter gesorgt haben, nur weil er das Wort "Teilchen" erwähnt hatte. Das kennt man woanders nämlich garnicht. Hier denkt jeder: "Teilchen, klar, süßes Gebäck!"
Wollte ich nur ergänzt haben, falls jemand das liest, der nicht von Bünde wech kommt...

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Re: Re: Re: Klappstullengeschichten: Episode Zwei

An den Dometscher!
Kailoi, deine Anmerkung war mehr als sinnvoll. Bin gleich am nächsten Tag von einem von diesen unwissenden Südländern gefragt worden, was denn um Himmels willen ein Matschbrötchen ist. Und ich wette, der kennt erst recht keine Teilchen...

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