Dienstag, 27. Mai 2003
Perls Projekt
Kailoi
13:30Uhr | tag: Xenophenycsephtanalat
Der mittlere Kulturinspektor Giebel traf sich vor kurzer Zeit mit seinem werten Freund, dem Xenologiker Perl. Sie trafen sich in einem der zur Zeit beliebteren Restaurants in der Innenstadt von Medusia, der hellsten Stadt auf Klerenz auf Makolon Beta. Beide waren mit ihren persönlichen Robotbediensteten erschienen, die, als die Herren sich zu Tisch begeben hatten, zu ihren Seiten standen, um einen spontan enstandenen Einfall oder einen frisch erwachten Wunsch ihres Gebieters umzusetzen. "Nun, werter Freund Giebel, sag mir, wie ist es Dir in all der Zeit ergangen, in der uns verschiedene Begebenheiten voneinander trennten?" Mit diesen Worten lehnte Perl sich lächelnd seinem Bekannten entgegen und trank von dem Zitralon, einem sechshunderter Jahrgang von bitterer Note.
"Es freut mich sehr zu sagen, dass ich Dir von frohen Ereignissen berichten darf.", Giebel lehnte sich entspannt in die Stuhllehne aus Terelonschaum zurück, "Mein Geschäft erfreut sich einer zunehmenden Zustimmung. Seit der große Krieg zwischen unseren zwei Hauptkontinenten zu einem friedlichen Ende gelangte, wird der Kunst eine erhöhte Aufmerksamkeit geschenkt. Die Suche nach dem Schönen, dem Munteren und Harmonischen scheint gar zu einer Sucht geworden, nach all dem Hass und der Zerstörung."
Beeindruckt von dieser Antwort nippte Perl erneut an seinem Getränk, war aber etwas beleidigt, dass sein sonst so vertrauter Zeitgenosse wohl heimlich einige Rhetorogramme studiert hatte und ihn mit seiner gewandten Wortführung schlicht herausfordern wollte.
"Das freut mich sehr zu erfahren. Hast Du schon bemerkt, dass ich einen neuen Roboter habe?"
Giebel schien aufgrund dieser Frage außerordentlich verwirrt, ja beinah schon entrüstet. Man sprach eigentlich nicht über mechanische Gehilfen. Sie waren so natürlich wie die Ozeane, die alles umgaben. Es grenzte schon an peinlicher Unhöflichkeit, eine solche Apparatur zum Gegenstand einer zivilisierten Konversation zu machen. Mit einer demnach zu Recht verdutzten Mimik blickte Giebel seinen Gegenüber an, eine Rechtfertigung dieser Entgleisung erwartend.
"Nun will ich ihre geistige Geschliffenheit nicht mit Trivialitäten beleidigen, werter Giebel.", Perl drückte den in die Tische eingelassenen Keramikknopf, um wohlriechenden Serangillenduft in den Raum zwischen ihren Köpfen verdunsten zu lassen.
"Vielmehr handelt es sich bei dieser Maschine um ein Projekt von enormer Komplexität."
Diese Andeutung hatte auf der einen Seite Giebels Ehre als würdiger Denker gerettet und hatte auf der anderen auch sein persönliches Interesse geweckt. Perl bestellte über das Tastenfeld im Tisch ein Vandokpüree mit Tesialkrokant und setzte sein Reden fort.
"Dieser Roboter ist kein Produkt unserer gesegneten Industrie - zumindet nicht im Sinne des konsuminduzierten Equilibriums unserer Marktstruktur."
"Fahren sie fort, Perl!" Giebels Mundwinkel waren in höchster Konzentration angespannt.
"Dieser Roboter war einst eine Kampfeinheit im großen Krieg!"
"Meine Gü..." Vor Schreck und mit einer heftigen Geste warf Giebel sein Glas um. Der Tisch absorbierte das Malheur und lieferte umgehend ein Trinkgefäß mit exakt demselben Füllstand.
Perl besah den sekundenschnellen Vorgang und fuhr dann fort.
"Nach den kriegerischen Auseinandersetzungen, bei denen zum Glück kein einziges lebendiges Wesen zu Schaden kam, verblieben unserem Land gut eine halbe Million elektronischer Zerstörungsmaschinen. Diese in ihre Ressourcenbestandteile zu zersetzen und einem neuen Zweck zuzuführen hätte eine unglaublich schlechte Entropiebilanz in unserem Staatshaushalt bedeutet. Also beschlossen einige befreundete Ingeneure, Psychotechniker und Xenologiker unter meiner Anleitung, diese Maschinen einem gesellschaftlichem Nutzen zuzuführen. Das Ergebnis sehen sie hier."
Mit neuen Augen ließ sich der mittlere Kulturinspektor dazu herab, das äußere Erscheinungsbild dieses Objektes zu begutachten. Dabei fiel auf, dass die Gestaltung dieses Roboters weniger nach Gesichtspunkten des ästhetischen Gefallens ausgeführt waren, sondern offensichtlich mehr zugunsten extremer Effektivität. Zugegeben, man hatte einige dekorative Elemente angebracht in Anbetracht der Wichtigkeit, die man solchen Dingen in hoher Gesellschaft beimisst. Trotzdem wurde man sich bei genauerer Betrachtung der Aufgesetztheit dieser Elemente schnell bewusst. Mit seinen zweihundertsechsundfünfzig Jahren wollte Giebel sich der Gewißheit verschiedener Dinge noch nicht freiwillig ergeben. Daher begrüste er auch die Begegnungen mit dem jüngeren Perl, der zumal in seiner Eigenschaft als Xenologiker darin geübt war, andere zu überraschen. Mit dieser Sache war Perl aber in den Augen Giebels eindeutig über das Ziel hinausgeschossen. Für Stanislaw Lem im Vergleich zu dem ich nur Staub bin. ... Comment
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