Samstag, 10. Januar 2004
Offiziell Untauglich
Kailoi
10:39Uhr | tag: Buender Glas
Es gab sicher auch bessere Zeiten. Damals wusste ich noch nichts von der Krankheit. Ich hatte gute Ideen und war trotzdem glücklich. Wenn heute jemand sagt, ich sei kreativ, trifft mich das schmerzhaft. Es ist nicht nur, dass diese Einschätzung meiner Person nicht mehr als ein Nachhall aus meiner Vergangenheit sein muss. Kreativität ist zu einem bedeutungslosen Wort geworden. Man verbindet es mit Leuten, die Tischdekorationen aus Gartenabfällen basteln oder mit solchen, die alle vier Wände eines Zimmers in unterschiedlichen Farben anmalen. Die Universität ist fast leer. Am Wochenende kommt kaum jemand hierher. Ein Blockseminar sollte hier heute stattfinden. Zwei komplette Wochenenden - schmerzhaft, aber gerade noch akzeptabel. Und nach dem morgendlichen Kampf des wachwerdens, duschens, frühstückens, zur Strassenbahn rennens, die Mitteilung, dass die Veranstaltung ausfällt. Ein Vakuum entsteht, ein Plan scheitert, die Hoffnung auf ein baldiges Beenden des Studiums zerbricht, die Angst vorm Scheitern meldet sich in der Magengegend. Für einen kurzen Moment verschwindet ein Mensch. Niemand ist da, der es bemerken könnte und der sich darüber zweiffellos wundern würde. Dann erscheint der Mensch wieder und lenkt seine Schritte in einen der unzähligen, identischen Korridore. Ich kann nicht mehr. Ich will nicht mehr. Aus solchen Krisen kann eine Menge Kraft erwachsen. Ich warte immer noch darauf. Ich fühle mich ausgebrannt wie eine Mülltonne am Bahnhof. Ich denke über mich und meine Zukunft nach und dann kotzt es mich auch schon wieder an, höre, wie es in meinem Hinterkopf hin- und herschallt: Ich, Ich, Ich... Bin ich doch der einzige, der diesem ich soviel Aufmerksamkeit widmet und zwar aus einem mitleidigen, aufopfernden Interesse heraus. Es ist garnicht so schlecht, früh aufzustehen. Vor allen Dingen am Wochenende. Man hat einen wundervollen, endlos lang erscheinenden Tag vor sich. Letztendlich wird nichts besonderes passieren. Warum sollte es auch? Ich werde mir nichts vornehmen und noch weniger schaffen. Es ist nicht nur dieses in mich gekehrtsein, dieses verkehrtsein, verklärtsein und eigentlich ein Pferd sein. Es stört mich auch, dass ich nichts vernünftiges mehr von mir geben kann. Nur Stuss, nur Albernheit, keine zivilisierte Konversation ist mit mir möglich. Ich ziehe mich Schritt für Schritt in meinen Kopf zurück, werde eigenartig, vielleicht verrückt. Mir gefällt der Gedanke verrückt zu sein, ver-rückt, neben der Spur, woanders als all die anderen. In seltenen Höhenflügen bin ich mir sicher, dass die auf dem falschen Weg sind und ICH bin auf dem richtigen. Ich sollte in die Stadt fahren. Das mache ich eigentlich viel zu selten. Ich unternehme ungern etwas allein. Das steht zwar im krassen Gegensatz zur Zurückgezogenheit. Aber es ist so. Mal sehen, ob ich tatsächlich in die Stadt fahren werde. Mir ist aufgefallen, dass ich mich immer mehr damit zufrieden gebe, Pläne zu schmieden, anstatt sie umzusetzen. So gefällt mir schon der Gedanke, mir ein neues Buch zu kaufen und es zu lesen. An frostigen Herbstvormittagen male ich mir erfrischende Spaziergänge aus, während ich in meinem warmen Zimmer sitze. Manchmal ertappe ich mich dabei eine ganze Weile abwesend gewesen zu sein. Einfach nichts gedacht zu haben, erstarrt und trotzdem irgendwie wach. Es muss ein seltsamer Anblick sein, wenn das passiert. Einige vermuten Traurigkeit, andere Müdigkeit dahinter. Dabei ist es nichts, Leere. Wenn dieser Zustand besonders intensiv wird, beginnt der Körper sich langsam aufzulösen. Es beginnt mit Transparenz und endet mit Transzendenz. Als es mir endlich gelungen war in meine eigene Parallelwelt zu flüchten, erschien mir das nur all zu logisch ... Comment
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