Stichwort: Dunkle Stunden
Karassek's Antwort


Soeben erreichte mich eine Kritik zu der vor einigen Tagen veröffentlichten Story Die Antwort. Damit dieser glänzende Beitrag des Bewohners GEWEIHTER nicht einfach in den Kommentarzeilen verschwindet, habe ich ihn hier auf die Titelseite kopiert. Viel Spaß damit und danke, Hirsch.


Eine Geschichte, die ich absolut super fand und die mich zum Nachdenken angeregt hat. Leider endet solches Nachdenken nur allzu oft in einer Katastrophe. Wer also die Geschichte hinreichend gelesen und auf sich hat wirken lassen, der mag sich diese meine Gedanken, gegossen in eine mehr oder weniger kreative Form, zu Gemüte führen:

Karassek (älterer Mann, leicht untersetzt in Jackett und Jeans; trägt eine Brille mit kleinen Gläsern, spricht sehr ruhig und sachlich, bemüht sich einen neutralen aber hintergründigen Eindruck zu machen, was nicht immer gelingt) Bei „Der Antwort“ von Albtraumjäger handelt es sich um eine Kurzgeschichte über einen klischeehaft normalen, namenlosen Mann, von dem ausschließlich in der dritten Person der Vergangenheit berichtet wird. Der Leser, die Leserin erfährt an Persönlichem nur von immer gleichen Ritualen, hauptsächlich Arbeit, Frau und Stammtisch. Die Geschichte entwickelt sich am in der Hauptperson immer stärker werdenden mysteriösen „Brodeln“, das nicht zufriedenstellend gedeutet, nicht beantwortet werden kann. Der Mann, „Er“ entschließt sich einen in seinem Alltag sonst nicht stattfindenden Spaziergang zu unternehmen. Er begegnet einem Trinker, der ihn überredet einen Zigarettenautomaten aufzubrechen, beide flüchten, das „Brodeln“ verändert sich und die Geschichte endet mit einem melancholischen Blick in den Nachthimmel, bei dem der Leser, die Leserin erfährt, dass die Antwort ein Abschied sein wird. Wenn sie mich fragen, ist „Die Antwort“ der hoffnungsvolle Rohdiamant eines lange herbeigesehnten Nachwuchsautors, an dem sicherlich noch zu feilen sein wird. Aber wie er hier mit den Stimmungen spielt, das geheimnisvolle Brodeln, das so einfach aufgelöst werden kann, die ausschließlich indirekten Dialoge, die durch die überlegene Sicht des Lesers, der Leserin wunderbar verstärkt das Einerlei des Alltags vor Augen führen, all das lässt hoffen.

Reich-Ranicki (alter Mann, Glatze, weißer Haarkranz, auffällig große Nase, erfüllt sonst perfekt das Klischee vom alten Ostpreußen; spricht übertrieben akzentuiert, wodurch man ihn sofort wahrnimmt, rollt dabei das r und lispelt stark) Dieser Meinung bin ich nicht! Sicher, sicher es sind Ansätze zu erkennen. Aber diese Klischees! Das Alltagsallerlei, das nur darauf wartet durch eine Eingebung, eine geniale Wendung hervorgerufen durch ein fast King?sches „Brodeln“, durchbrochen zu werden. Grässlich! Eine einfache Geschichte über den zweiten Frühling, über das Ausbrechen über „Jetzt oder nie“. Da haben sich schon ganz andere an diesem Thema versucht und sind fast ausnahmslos gescheitert. Selbst der junge Thomas Mann...

Die Frauunterbricht (etwas füllige, emanzipierte Intellektuelle, die sich dem nicht unkomplizierten Kleidungsklischee dieser Gesellschaftsschicht aufs Extravaganteste anpasst) Herr Reich-Ranicki ich muss hier einschreiten. Sie scheinen zu übersehen mit welchen nicht unraffinierten Mitteln hier mit dem Klischee gespielt wird. Beispielsweise die Bilder von den gemeinsamen Abendessen des „Langweiler“-Ehepaares: Die einfache, aber an entscheidender Stelle greifende Schilderung lässt jede Leserin, jeden Leser sein eigenes Bild entwerfen, dass aber zum gleichen Ergebnis führen muss. Wie sich ein Bogen aus der Platitude, aus dem Einfachen unweigerlich zum Abstrakten spannt...

Quotenintellektuellefällt ein (ständig wechselnde Teilnehmer, deren Anwesenheitsberechtigung nur darin besteht, die Runde zum Quartett aufzufüllen; man stelle sich irgendwen vor, Hauptsache mit dem Tatsch des Intellektuellen) Genau, das Banale, betrachtet aus überlegener, neutraler Position, das aber bereits die Schatten des Unabwendbaren, der surreal genialen Wendung unsichtbar und doch wahrnehmbar in sich trägt. Der Drang, das Verlangen nach etwas, eine heimlich lauter werdende Sehnsucht, die durch die Schilderungen, die bereits im einfach Dinglichen einen poetischen Glanz, bisweilen einen aufblitzenden Humor vergleichbar mit dem eines Lenz oder eines frühen von der Heides, kulminiert in greifbares Geschehen in einem Erguss, von... – ääh ... dem eigentlichen Finden in sich selbst - ...!

Reich-Ranicki Ich bitte sie, meine Dame! Reden wir hier nicht um den heißen Brei herum! Die Geschichte ist nicht nur schlecht erzählt, sie ist auch schlecht recherchiert. Jeder Leser, der schon mal einen Stein in einen Zigarettenautomat geschmissen hat, weiß, dass da nicht sofort wie von Wunderhand Zigarettenpäckschen herausregnen. Und jeder der schon einmal versucht hat, einen Randstein aus Nachbars Garten zu brechen weiß welch herkulische Kräfte dazu nötig sind. Die Bilder sind sehr direkt...

Karassek Da muss ich zustimmen, auch ich sehe da sehr wohl konkretere Zugänge. Beschreibt das „Brodeln“ nicht eine tiefe Wahrheit, eine einfache Aussage, die ähnlich wie bei Sartre nur darauf wartet vom Leser, der Leserin erkannt zu werden?

Die Frau Sie meinen den Tod?! Verkörpert in der plötzlich auftauchenden Figur des Trinkers. Der Tod als sanftes Hinübergleiten mit einem Schluck Whisky und dem angenehmen Kribbeln eines Zigarettenrausches, der als gleichmäßiges Pulsieren eines LKW-Motors gut getroffen wird. Das finale schließen der Augen, der Abschied mit melancholischen Blick auf den Nachthimmel als endgültige Antwort. Das Brodeln ist die Sehnsucht nach der Erlösung von einem unzureichenden Leben, das zum Folgen des mysteriösen Trinkers einlädt und vorbereitet. Eine Sehnsucht, intensiver als es der Wunsch nach Urlaub sein kann...

Quotenintellektuelle Sie müssen schon genau hinsehen, Frau Kollegin! Es heißt: „...etwas, das viel tiefer saß als ein Wunsch nach Urlaub es seiner Einschätzung nach tun würde.“ Das ist der Wunsch nach gutem Sex. Kein Zweifel. Der Antwort ist der Abschied von einem Heimchen von Frau, dass es einfach nicht mehr bringt!

Karassek Aber, aber, Frau Kollegin! Es geht um etwas ganz anderes. Etwas viel Konkreteres. Das Brodeln ist eine Krankheit: Einen schleichenden Verlust der Pupaldementivflora, peristophobe Gasolitis genannt. Eine Krankheit von der zwar nur etwa einhundert Menschen auf der ganzen Welt betroffen sind, die sich aber in immer schlechterer Verdaulichkeit jeglicher Speise äußert.

Die Frau Ich bitte Sie! Es geht hier um viel mehr, es geht um eine autobiographische Verarbeitung der Erkenntnis, das sich Zeit durch das Nahen des Todes, das stärker werdende Brodeln äußert und für den Menschen nur so begreifbar wird!

Karassek Unsinn. Der Zugang über die peristophobe Gasolitis ist viel direkter! Geben Sie zu, dass sie darauf einfach nicht gekommen sind!

Reich-Ranicki Karassek, dumme Sau! Sie Schlafmütze! Wie soll denn nach dieser platten Blödmann-Interpretation der Abschied zu deuten sein, hä?!

Karassek Herr Reich-Ranicki, ich muss doch sehr bitten! Die Betroffenen leiden unter zunehmender Isolation – DAS ist der Abschied! Weil sie immer mehr brodeln, also blähen – Au! (Reich-Ranicki hat ihm von seinem Sessel aus vor`s Schienbein getreten), werden sie bzw. ihr Gestank für ihr Umfeld unerträglich und sie enden in sozialer Isolation! Das engültige Ende aber wird erst erreicht wenn ein kleiner Funke die ganze braune Wolke zur Explosion bringt.

Reich-Ranicki Igitt! Das reicht!

Reich-Ranicki steht auf, haut Karassek eine rein und kackt vor ihm auf den Boden

Reich-Ranicki Hier ist aber Schluss! Das kann ich doch nicht machen!

Schlingensief (führt Regie) Schnauze! Hier führe ich Regie und du tust was ich sage. Du kackst jetzt vor Karassek auf den Boden und dann wird die Frau von hinten gefickt! Das ist Kunst – MEINE Kunst!

Abbruch der Reihenentwicklung nach dem dritten Glied, da beim gedanklichen Entstehen dieser Szene der Autor in einer Linie 18 nach Brühl sitzt und lachen muss. Für alle anderen Reisenden ohne ersichtlichen Grund. Es folgt das Ringen um Fassung, dann aber immer wieder unterdrücktes Kichern. „Du kackst jetzt vor Karassek auf den Boden!!!“ Zusammenreißen! Der Schlingensiefsche Karassek-kack-Trash ist stärker. Luft hohlen. Ruhig. Denk an was anderes. Plötzlich: Paff! Nein, kein explodierter Zwerg, sondern ein Besoffener der vom Nebensitz auf den Boden gefallen ist und jetzt scheinbar Hilfe braucht. Seine Gegenüber springt auf und flüchtet – Igitt! Ein engagierter Mann tritt dazu, versucht dem schlafenden wieder auf zu helfen, keine Verletzungen – „helfen sie mal“ – na klar. „Solange er nicht kotzt und daran erstickt passiert ihm nichts...“ Aber die Kette ist damit abgebrochen.

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Die Antwort


Von außen betrachtet war er ein ziemlicher Langweiler. Er ging selten aus, und wenn, dann immer ins selbe Kino oder dieselbe Kneipe. Er ging jeden Tag denselben Weg zur Arbeit, besprach abends mit seiner Frau die gleichen Dinge während sie ein immer recht ähnliches Abendbrot vor dem Fernseher aßen. Dort sahen sie meist die Nachrichten und anschließend vielleicht einen Film. In seinem Inneren jedoch brodelte es seit einiger Zeit, wie er seinen Freunden anvertraute. Es waren nicht viele Freunde, mit denen er sich einmal wöchentlich in seiner Stammkneipe traf (sie waren zu viert), aber sie kannten sich schon so lange, dass er sich mit ihnen manchmal verheirateter vorkam, als mit der Frau, die ihm nun schon 15 Jahre lang das Abendbrot machte. Wenn er vom „Brodeln“ sprach, dann klang das für seine Freunde immer etwas merkwürdig. Denn auch sie waren, von außen betrachtet, ziemliche Langweiler. Was es denn heiße, fragten sie ihn. Doch er konnte es ihnen nicht näher erklären. Ob er vielleicht einfach mal raus müsse aus dem grauen Alltag, fragten sie. Ob er vielleicht mal mit seiner Frau eine große Reise machen wolle. In die Karibik oder auf die Malediven. Schließlich hätten sie sich doch noch nie etwas geleistet. Das müsse doch drin sein. Nein, das sei es nicht, antwortete er. Es sei etwas anderes, etwas, das viel tiefer saß als ein Wunsch nach Urlaub es seiner Einschätzung nach tun würde. Und, so fügte er hinzu, er habe Angst davor. Es sei ihm nicht geheuer. Nachdem er bereits einige Wochen immer wieder davon angefangen hatte und den Rest des Abends schweigend auf sein Glas starrte, forderten ihn seine Freunde auf, diesem „Gefühl“, wie sie es nannten, auf den Grund zu gehen. Er solle sich eine Woche Zeit lassen und bei ihrem nächsten Treffen berichten.

Drei Tage lang saß er abends beim Essen und dachte nach. Die Fragen seiner Frau beantwortete er rein reflexartig wie in einer Trance. Da sie immer über ähnliche Dinge sprachen, bemerkte sie nichts. Erst als er am vierten Tag vom Tisch aufstand und ankündigte, er wolle noch einen Spaziergang machen, wurde sie stutzig. Ob alles in Ordnung mit ihm sei? Ja. Ob sie mitkommen solle? Nein, er wäre bald wieder da. Er griff nach seinem Mantel und ging. Tatsächlich war ihm in den vier Tagen seines Grübelns nichts eingefallen, was dieses ständige Gefühl der Unruhe zu bedeuten haben könnte. Sein Kopf war leer, keinen Gedanken konnte er länger als ein paar Sekunden festhalten, dann verschwand er schon wieder in der Leere. Das Brodeln hingegen war in den letzten Tagen immer stärker geworden, es war der einzige rote Faden in der Leere seines Kopfes. Mal war es wie die Stille vor einem großen Gewitter, die hin und wieder durch leise Donner unterbrochen wird. Mal pulsierte es wie ein immer schneller schlagendes, riesiges Herz. Mal zerrte es an seinem Kopf wie eine Sturmböe an einem Fensterladen rüttelt. Eine Welle leichter Verzweiflung stieg in ihm auf. Er würde seinen Freunden nichts zu sagen haben. Er konnte sich keinen Reim auf seinen Zustand machen.

Als er an einem Zigarettenautomaten vorbeikam, beschloss er, eine Packung zu kaufen. Das hatte er noch nie vorher getan. Doch in seinem Portemonnaie fand er nur Scheine, keine Münzen. Unentschlossen stand er vor dem Automaten. Vielleicht war es ja besser so, dachte er. Die Stimme hinter ihm erschreckte ihn. Er hatte vorher niemanden bemerkt. Doch jetzt sah er einen Mann auf dem Bordstein sitzen, der an einer Hecke lehnte und aus einer Flasche trank. Er müsse einfach den Automaten aufbrechen, sagte der Mann. Er hatte eine raue, tiefe Stimme, und sie klang, als mache er sich lustig über ihn. Das könnte er nicht tun, sagte er, das sei illegal. Dann eben nicht, wenn er sich glücklich dabei fühle, entgegnete der Mann und trank wieder aus seiner Flasche. Nein, glücklich fühlte er sich ganz und gar nicht. Das Brodeln war jetzt zu einem richtigen Kessel-Brodeln angewachsen, es war wie eine riesige Menge heißen Wassers, das kurz vor dem Sieden stand. Was er da trinke, fragte er den Mann. Whisky. Ob er einen Schluck bekommen könne. Natürlich, es koste ihn nur eine Zigarette. Er schaute wieder auf den Automaten und sah sich um. Noch während er darüber nachdachte, wie es sei, wenn er den Automaten aufbrechen würde, hatten seine Hände sich längst entschlossen. Seine Augen blickten suchend nach einem geeigneten Werkzeug, sein Arm brach schließlich einen Kantenstein aus der Umrandung eines Vorgartens heraus und seine Hand ließ ihn gegen den Automaten sausen. Es gab einen gewaltigen Lärm, als der Stein das Glas und das Metall der Vorderseite durchschlug. Dutzende von Zigarettenschachteln purzelten ihm entgegen. Camel ohne bitte, sagte der Mann, der nun aufgestanden war und nachdenklich vor ihm stand. Sie sollten sich lieber aus dem Staub machen, sagte er. Er kenne da eine gute Stelle, wo sie ungestört seien. Aus einer Haustür hörte er Stimmen. Was hatte er getan? In seinem Kopf herrschte Chaos. Er sammelte einige Schachteln ein und stopfte sie in seine Manteltasche. Verwirrt und ängstlich rannte er dem erstaunlich schellen Trinker hinterher.

Einige Minuten später machten sie halt. Er keuchte, bekam kaum Luft. Sie waren an einem Gehölz angekommen, an dem er morgens auf dem Weg zur Arbeit immer vorbeikam. Der Trinker klopfte ihm auf die Schulter und setzte sich auf eine Plastiktüte, die er unter eine Tanne gelegt hatte. Ob er nun einen Schluck haben wollte, fragte er ihn. Ja, gerne. Der Whisky schmeckte scharf, aber aromatisch. Kein billiges Zeug. Der Trinker holte ein Feuerzeug aus seiner Tasche, er selbst öffnete eine Schachtel Zigaretten. Beide rauchten. Als der Qualm seine Lunge erreichte, verspürte er den Drang zu husten, doch hielt er den Mund geschlossen und atmete erst einige Sekunden später wieder aus. Ein angenehmes Kribbeln durchströmte seinen Körper, er schwankte leicht und musste sich setzen. Der Trinker sah ihn durchdringend an. Wie er sich fühle, fragte er. Gut. Beide nahmen einen großen Schluck aus der Flasche. Das Brodeln! Es war noch da, aber es hatte sich wieder verändert. Gleichmäßig und ruhig wie er Motor eines LKW pulsierte es in ihm. Was er jetzt tun wolle, fragte ihn der Trinker. Das weiß ich noch nicht, antwortete er. Es gäbe ein paar Leute, denen er diese Antwort ebenfalls schuldig sei. Noch einmal lies er den Rauch der Zigarette durch seine Lunge strömen. Eigentlich, sagte er, bin ich niemandem etwas schuldig. Er lies sich nach hinten fallen, so dass er auf dem Rücken liegend den wolkenverhangenen Himmel sehen konnte. Zwischen den Wolkenfetzen sah er manchmal das Aufblitzen eines Sternes. Er schloss die Augen. In seinem Inneren fühlte er ein ruhiges, gleichmäßiges Pochen. Gleichzeitig spürte er eine seltsam gedämpfte Traurigkeit. Die Antwort würde ein Abschied sein.

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Bauanleitung für einen Zyniker

Es wäre vielleicht einfacher, Teller und Flaschen gegen eine Wand zu schmeissen, laut zu brüllen und um sich zu schlagen - aber vornehm geht bekanntlich die Welt zu Grunde. Um Zyniker zu werden, muss man so ziemlich alles haben, was man zum Leben braucht. Wichtig ist nur, dass etwas Wichtiges fehlt. Man wäre kein guter Zyniker, wenn man je darauf hinweisen würde, was diese zum vollkommenen Glück fehlende Sache sei...

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Jazz Live

Ich erwache mit einem fürchterlichen Kater. Ich war gestern wieder in meinem Club und habe vielleicht etwas mehr getrunken als gewöhnlich. Ich hatte mich mit Julia verabredet, nur um zu reden. Aber sie hatte mich erst im Club angerufen und gesagt, dass ihr etwas wirklich wichtiges dazwischengekommen war und sie vermutlich nicht mehr kommen werde. Also hatte ich beschlossen, meine Probleme selbst in die Hand zu nehmen. Das hinterhältige am Alkohol ist, dass man sich prächtig fühlt, wenn man abends in den Schlaf fällt - berauscht, erfüllt und nicht in der Lage, über irgendetwas ernsthaftes nachzudenken. Außerdem konnte man sich viel tiefer in die Jazzmusik im Club einfühlen. Die Stimmung, die in dieser Musik lag, ging einem direkt ins Gedärm und in die Knochen. Beinahe hätte ich geweint, im Jazzclub. Aber ich hatte nur reglos dagesessen und mich ganz gemächlich volllaufen lassen. Im Gegensatz zu zum Beispiel Sex erwacht man am nächsten morgen nicht wie ein Tautropfen im Ersten Sonnenlicht, sondern eher wie das ölige Zeug, dass aus einer unauffindbaren Stelle meines Wagens auf die Strasse tropft. Ich hätte gestern nicht mehr fahren dürfen. Was soll?s, irgendwie ist es auch egal. Ich habe Durst und rolle mich aus dem riesigen Wasserbett. Ich halte es nicht mehr im Bett aus, wenn der Tag angefangen hat. Rita konnte immer bis in den frühen Nachmittag hinein schlafen. Ich weiß nicht, wie sie das helle Tageslicht einfach ignorieren konnte. Das Schlafzimmer ist sehr schlicht. Einfach nur ein riesiger Raum und ein riesiges Wasserbett. Der Raum hat nur drei Wände. Anstelle der dritten Wand ist ein riesiges Fenster, das ein Panorama des Strandes und des Meeres darbietet. Es ist alles nicht real hier. Ich bin mitten in einem Hollywood-Luxusfilm gelandet. Ich stelle mich etwa fünf Minuten unter die Dusche. Dann beschliesse ich, mich hinzusetzen und das Wasser einfach auf mich herabregnen zu lassen. Ich trinke eine Menge Wasser und die Unruhe in meinem Körper legt sich etwas. Von der Duschkabine aus kann man das gesamte Badezimmer überblicken, weil sie mitten im Raum und aus Glas ist. Das Wasser kommt nicht nur von oben, sondern auch von allen Seiten. Dieses Badezimmer ist schon mehr ein Wassertempel. Irgendwie kann ich nicht mehr in die Badewanne gehen, seit Rita fort ist. Die Wanne ist viel zu groß für einen allein - wie eigentlich alles hier. Man kann hier verrückt werden, glaube ich. Ich nehme einen der schneeweißen Bademäntel und gehe in die Küche. Ich habe einen Riesenhunger, aber der Kühlschrank ist leer. Natürlich, ich habe nichts hineingetan, also ist nichts darin. Sie hat immer Unmengen von Lebensmitteln eingekauft und jeden zweiten Tag schmiss sie die Hälfte davon in den Abfall. Es war so eine Art Hobby von ihr, anstelle von richtiger Hausarbeit. Die Küche war ihre Idee gewesen. Es war ein Traum aus rötlichem, geölten Holz, Edelstahl und Granit. Ganze Schränke ließen sich aus der Wand fahren. Eine unglaubliche Auswahl von Konserven, Gewürzen und Küchengeräten war darin zu finden. Küchenwerkzeuge und kupferbeschichtete Töpfe hingen von der Decke und Getrocknete Kräuter und ein Knoblauchzwiebelzopf sollten den Eindruck erwecken, dass hier tatsächlich gekocht wurde. Rita konnte nicht kochen. Ich auch nicht. Meistens sind wir ohnehin essen gegangen oder eingeladen worden. Im Vorratsraum in einem der Gefrierschränke finde ich ein Paket Frühlingsrollen. Nach einem Kampf mit dem Herd und einer Pfanne habe ich ein öliges, stellenweise zu dunkel geratenes Mittagessen zubereitet. Sie hatte sich immer ausgemalt, dass, wenn wir Kinder haben würden, sie kochen lernen würde. Sie hatte diese Vorstellung, wie die Kinder aus der Schule nach Hause kommen würden und sie in der Küche stand und Gemüse kleinschnitt. Oder sie unsere Freunde mit einem wundervollen Abendessen überraschte. Ich habe das mal in irgendeinem Film gesehen. Sie vermutlich auch. Rita ist Amerikanerin. Bevor jemand vermutet, ich hätte sie vielleicht umgebracht und im Keller eingemauert, sage ich es am Besten gleich: Sie hat mich verlassen. Ja. So einfach ist das. Ich hatte sie in einem dieser verrauchten Jazzkellerclubs kennengelernt. Wenn ich jetzt so darüber nachdenke, war die Musik das einzige, was uns wirklich verband. Es wird schon wieder dunkel draußen. Ich gehe ins Wohnzimmer und lege eins dieser melancholischen Stücke auf. Sofort fühle ich diese subtile Mischung aus Trauer und absoluter Leichtigkeit. Ich will jetzt in einer Bar an einer Strassenecke sitzen und im Neonschein einer Leuchtreklame da weitermachen, wo ich gestern aufgehört hatte. Aber nicht allein. Ich möchte nicht mehr allein sein. Ich rufe Jean an. Wir sind schon lange nicht mehr um die Häuser gezogen. Aber als ich ihn anrufe, stammelt er irgendwas von einer Verabredung mit einem heißen Feger, so drückt er sich tatsächlich aus. Jean ist eigentlich zum kotzen langweilig. Er ist Künstler und Rita hatte ihn in Paris kennengelernt. Mir wird langsam aber deutlich bewusst, dass unsere Freunde eigentlich IHRE Freunde sind und schon immer waren. Allesamt waren sie oberflächliche, hochgestylte Idealfreunde. Vermutlich gab es sogar einen Katalog, wo man sie bestellen konnte. Ich lege mich auf die Ledercouch im Wohnzimmer und sehe aus dem Fenster, das den Ausblick auf einige Nadelbäume gewährt. Was für ein fantastisches, unrealistisches Haus. Rita hatte es von einem schwedischen (oder finnischen?) Stararchitekten entwerfen lassen. Sein Name hatte mich irgendwie entfernt an Jim Henson erinnert. Aber Jim Henson war der Typ mit der Muppet-Show. Ich glaube nicht, dass der auf Architektur umgestiegen ist. Außerdem ist er schon lange tot, glaube ich. Auf jeden Fall ein Stararchitekt. Sie war auf alles ganz wild gewesen, was europäisch war. Woher genau, war dabei gar nicht so wichtig. In dieser Hinsicht hatte sie den Europäern einiges voraus: Sie wußte nichts von den einzelnen Mitgliedsstaaten. Sie kannte nur Europa. Sie wusste vermutlich nicht einmal, dass ich aus Deutschland kam, geschweige denn, dass sie es auf einer Weltkarte hätte zeigen können. Dabei war sie auf äußerst exklusiven Schulen gewesen. Ich weiß noch, wie ich sie das erste Mal sah. Diese traurigen Augen. Wie sie dasaß, vertieft in die Musik. Sie sagte, Jazz wäre die letzte ehrliche Musik auf der Welt. Dass man Jazzmusik nicht fälschen konnte oder mit Computern herstellen. Sie hatte mich sofort umgehauen. Danach war alles so schnell gegangen. Die bombastische Hochzeitsfeier, Reisen, das Haus. Ihr Vater besitzt die Aktienmehrheit an einem Chemiekonzern und einigen kleineren Unternehmen. Ich glaube, ihm ist alles egal, was seine Tochter macht. Er ist voll und ganz fixiert auf seinen Sohn, Jeremy, der eines Tages so eine Art Thronfolger werden soll. Jeremy - dieses blasierte Arschloch. Wenn sein Vater wüßte, dass sein kleiner Prinz einigen seiner Harvard-Freunde die Eier lutschte, hätte der Alte ihn wahrscheinlich mit einem glühenden Schürhaken verprügelt oder ihn auf eine Militärakademie geschickt. Dort wäre es vermutlich genauso weitergegangen, aber der Umgangston wäre etwas strenger gewesen. Jeremy und ich wir haben uns nie gemocht. Der kleine Pisser hatte bei jeder möglichen Gelegenheit angemerkt, dass ich ja im Grunde aus einer der unteren Gesellschaftsschichten stammte und dass ich vermutlich nur auf das Geld der Familie scharf sei. Natürlich hatte er das nicht auf eine direkte, handfeste, sondern auf die hinterhältige, feige und unterschwellige Art und Weise getan. Ich weiß, dass er den meisten von ihnen aus den Herzen gesprochen hatte. Aber es war mir egal weil ich wusste, dass Rita nicht so dachte. Zumindest war ich mir damals sicher, dass sie nicht so dachte. Es ist dunkel geworden und mir wird in dem Bademantel etwas kühl. Ich schalte das Licht ein, gehe zurück ins Schlafzimmer und öffne die Tür zum Wandschrank, der eigentlich schon ein eigenes Zimmer ist. Ach was sag ich, der Wandschrank ist so groß wie es meine ehemalige Wohnung war. Während ich mir ein T-Shirt und eine gemütliche Hose aus Baumwolle überstreife, frage ich mich, ob Rita und mich mehr als die Musik verbunden hat. Wir sind beide keine großen Redner. Wenn wir zu Hause waren, haben wir meistens gar nichts gesagt. Nur zusammen irgendwo eingekuschelt gelegen und aus dem Fenster geschaut. Wenn ihre Freunde da waren, war sie ganz anders. Sie hatte es von Kindheit an gelernt, belanglose Gespräche zu führen und so zu tun, als sei alles ganz toll - auch wenn es das garnicht war. Ich ertappe mich bei dem Gedanken, ob ich für sie war wie einer ihrer schicken Freunde. Nicht, dass sie jemals belanglose Gespräche mit mir geführt hatte, im Gegenteil. Sie war geradezu süchtig nach ehrlichen oder tiefgehenden Gesprächen. Ich meine, ich frage mich ob sie mir auch nur vorgespielt hat, dass alles in Ordnung sei. Ich gehe durch die Glastür im Schlafzimmer auf die Veranda und lasse mir den Wind um die Ohren wehen. Sie hatte einmal erwähnt, dass sie schon einmal verlobt gewesen sei. Mit einem Typen namens Mike. Sie sagte, er habe sie verlassen wegen einer anderen Frau und dass sie sich damals gefühlt habe wie ein Stück Dreck. Und jetzt hatte sie das Gleiche mit mir gemacht. Das heißt, ich weiß nicht, ob es da einen anderen Kerl gibt, aber es würde keinen Unterschied machen. Sie hatte mir das Haus überlassen. Es wurden auch irgendwelche Geldbeträge zu meinen Gunsten verschoben. Ich musste zu irgendwelchen Anwälten gehen mit ihr und Dokumente unterzeichnen. Ich hasste diese Anwälte. Diese glattgeschmirgelten Typen, die im einen Moment scheißfreundlich waren und im nächsten Dir den letzten Knopf von der Hose klagen konnten. Von mir aus hätte sie den ganzen Scheiß behalten können. Als ich ihr das damals sagte, schien ein Teil ihrer Traumwelt einzubrechen. Sie hatte darauf bestanden, mir das ganze Geld zu geben. Ich habe keine Ahnung, ob sie so etwas wie ein schlechtes Gewissen hatte, mich ohne Begründung zu verlassen. Ich weiß nicht, ob sie mich vielleicht bezahlen wollte, so wie man einen Friseur oder eine Massage bezahlte. Vielleicht gehörte das auch bewusst oder unbewusst zu ihren Maßnahmen, ihr Selbstwertgefühl nach der Trennung von diesem Mike wieder herzustellen. Mag sein, dass sie auch jemanden so benutzen musste, wie Mikey sie benutzt hatte, damit sie sich wieder gut fühlte. Der Wind vom Meer hat mich vollkommen ausgekühlt und ich gehe wieder ins Haus. Langsam fühle ich mich wieder klar und ausgeglichen. Ich habe jetzt eine ganze Weile über die Vergangenheit nachgedacht. Seit Tagen schon mache ich nichts anderes. Über die Zukunft habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Ich weiß nicht, ob ich mich darüber freuen kann nie wieder finanzielle Sorgen zu haben, oder verzweifeln soll darüber, dass nichts sicher ist, dass man nichts und niemandem vollkommen vertrauen kann. Ich finde keine Antwort - ich bin mir auch ziemlich sicher, dass ich auch morgen und übermorgen keine Antwort finden werde. Aber als ich wieder ins Wohnzimmer komme, lege ich eine weitere CD in die Stereoanlage und lausche eine Weile lang den verspielten, scheinbar chaotischen Tonfolgen. Nur die machen wirklich Sinn für mich. Vielleicht verändert Musik einen Menschen. Oder vielleicht finden Menschen einfach nur die Musik, die zu Ihnen gehört. Ich ... bin Jazz.

copyright: Kai Restemeier 2001

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Kalt wie Metall

Vitamin C Was ist eigentlich, wenn eine Schlange sich aus Versehen selbst beißt? Würde sie an ihrem eigenen Gift sterben? Vermutlich nicht. Die Natur sorgt schon dafür, dass sich ihre Geschöpfe nicht so einfach selbst vernichten. Oder besser gesagt: Ein Wesen, dass sich selbst vernichten könnte, würde recht bald vom Antlitz der Erde verschwunden sein. Ich weiß nicht einmal mehr, wie ich auf diese bescheuerte Frage gekommen war. Mein Magen knurrt. Das ist nicht ungewöhnlich denn ich habe seit zwei Tagen nichts mehr gegessen. Nur Leitungswasser getrunken. Davor hatte ich noch Butterkekse und ein Glas Saure Gurken. Ich war recht sparsam. Die Vorräte hatten sehr viel länger als einen Monat gehalten. Aber jetzt war der unvermeidliche Zeitpunkt nah, an dem ich es wieder tun musste. Es ist nicht mehr so schlimm wie früher, als ich noch in den Supermarkt gehen musste und an all diesen überflüssigen Dingen vorbeigehen musste, die mir in ihrer verspielten und glückverheißenden Sinnlosigkeit den Magen umdrehten. Damals musste ich mir noch diese von hirnloser Freude verzerrten Gesichter ansehen, wie sie Blumenvasen in Trendfarben begutachteten oder schreiend bunte Windspiele aus Pressholz für ihren Garten in Erwägung zogen. Diese Gespenster, diese verlorenen Seelen erhofften sich ein bisschen Glück durch den Kauf von sinnlosem Scheiß, den sie einige Wochen lang verstauben ließen und dann in einer Schachtel im Keller aufbewahrten oder am Besten gleich wegschmissen. Sie machten mich traurig, diese Leute, die Kerzen in der Form von Pinguinen oder lachenden Sonnenblumen kauften. Sie bereiteten mir gleichzeitig Kummer und Wut, weil sie sich über den niedrigen Preis freuten, ihnen aber scheißegal war, dass in Taiwan ein Kind höchstens zwanzig Jahre alt wurde, weil es zwanzig Stunden am Tag Salatschüsseln aus Tropenholz mit giftigem, apfelgrünen Lack bemalen musste. Aber in erster Linie hatte ich Angst vor den Leuten, die so etwas kauften. Und ich sah, wie sie mich überrascht, fragend oder verächtlich ansahen, weil ich den elektrischen Sandwichtoaster im Sonderangebot bewusst ignorierte. Ich hatte dann eine Zeit lang meine Lebensmittel in kleinen Tante-Emma-Läden eingekauft, weil ein großer Teil dieses Wahnsinns dort nicht herrschte und wenn, dann in kleinerem Maßstab. Eines Tages hatte ich dann in einem dieser kleineren Läden ein handgemaltes Schild gesehen, auf dem stand: Ab einem Wahrenwert von 50 DM liefern wir frei Haus. Darunter war eine Telefonnummer. Es klappte ganz gut. Nach einer Weile hatte ich eine Liste zusammengestellt, die exakt meine Versorgung für einen Monat sicherte. Gut, am Anfang hatte ich einige Lebensmittel wegschmeißen müssen, weil sie zu schnell verdorben waren. Das Geheimnis bestand darin, gegen Ende des Monats mehr Konserven zu verwenden. Mein Magen knurrt.

Ich ging die einzelnen Posten auf der Liste durch. Drei Dosen Ravioli, zwei Dosen Linseneintopf,… - in letzter Zeit fühlte ich mich nicht besonders gut, vom Hunger jetzt mal abgesehen. Hatte ich keine ausgewogene Ernährung? Vielleicht fehlte ja irgendetwas. Vielleicht sollte ich mehr Vitamine zu mir nehmen. Gemüse? Nein. Salat? Wäre innerhalb weniger Tage hinüber. Äpfel vielleicht. Klar, die würden sich bei richtiger Lagerung eine Weile halten. Ich fügte meiner Liste also Äpfel hinzu. Nun kam der wirklich schwierige Teil. Ich nahm den Hörer ab. Die Leitung war frei und pfiff mir ihren alptraumhaften Ton in die Ohren. Ich wählte die Zahlenkombination, die ich zwar mittlerweile auswendig kannte, die ich aber immer noch von dem zerknitterten Zettelchen ablas, auf dem ich sie einst notiert hatte. Ich achtete darauf, dass ich die Tasten des Telefons richtig herunterdrückte und in der Leitung ein bestätigender Knacklaut zu hören war. Einmal hatte ich mich verwählt und die Person am anderen Ende hatte sich nur mit „Ja?“ gemeldet. Ich hatte etwa die Hälfte meiner Liste durchgegeben, da hatte die Stimme mich über meinen Irrtum aufgeklärt. Ich hasse Menschen, die sich nur mit „Ja?“ melden am Telefon. Als ob die ganze, verdammte Scheißwelt sie an ihrer Stimmer erkennen müsste oder sie sich nicht vorstellen konnten, dass jemand sich nicht ganz sicher sein könnte, ob er richtig verbunden war. Ich hasse auch Leute, die einen Riesenspaß daran haben, wenn jemand einen Fehler macht und demjenigen das ganz langsam unter die Nase reiben. Es klingelte jetzt am anderen Ende der Leitung und mein Puls beschleunigte sich spürbar. „Discountmarkt Brillmann, guten Tag. Was kann ich für sie tun?“ Die Stimme war neu. Es war eine junge, weibliche Stimme. Aber ich war richtig verbunden. „Ja g-guten Tag. Klehwe am A-Apparat. Ich wollte eine Bestellung aufgegeben.“ „Dasselbe wie immer?“ Diese Frage war ungewöhnlich. Normalerweise gab ich meine Liste immer Posten für Posten durch. „Ja, schon. Wie kommt es, dass sie wissen, was ich das letzte Mal bestellt habe?“ „Wir haben jetzt einen Computer. Der zeigt mir, was sie bisher bestellt haben. Wird jetzt alles noch viel schneller und zuverlässiger. Wunder der Technik, und so.“ „Na schön. Sagen sie, haben sie Äpfel?“ „Ja klar. Golden Delicious, Granny Smith oder Boskop?“ „Ich kenne mich mit Äpfeln nicht so gut aus. Welche haben denn am meisten Vitamine?“ „Das kann ich ihnen auch nicht sagen. Wollen sie eher mehlige, säuerliche oder süße Äpfel?“ Ihre Stimme klang jetzt etwas gereizt. Ich spürte, dass ich ihre Geduld bereits überstrapaziert hatte und hätte am liebsten das Apfelprojekt aufgegeben. Ich hatte aber beim Besten Willen keine Idee, wie ich aus der Sache wieder herauskommen sollte. „Äh säuerlich k-klingt gut. Was kosten die?“ „Zwei neunundvierzig das Kilo.“ Die Antwort war mehr ein Seufzen. Sie musste mich für den letzten Idioten unter der Sonne halten. „Ich nehme ein halbes Kilo.“ „Das geht leider nicht. Granny Smith und Boskopp sind in Zwei-Kilo-Beutel verpackt. Wenn sie nur ein halbes Kilo wollen, müssen sie Golden Delicious nehmen. Zwei neunundachtzig das Kilo.“ Eine Schweißperle lief an meiner Stirn herunter. Das Herz schlug mir bis zum Hals hinauf. Sie fragte sich genau wie ich wahrscheinlich gerade, was ich da tat. Wären wir Menschen nicht so degeneriert und verkümmert, müssten wir nur zum nächsten Apfelbaum gehen, einige davon pflücken und hätten die Sache hinter uns. Stattdessen führen wir ein nervenaufreibendes Gespräch über Verpackungsgrößen. „Ich nehme die Säuerlichen im Zwei-Kilo-Beutel für demnach vier achtundneunzig. Danke das wär?s.“ „Der Bote kommt dann um siebzehn Uhr. Ist ihnen das recht?“ Niemand weiß, was passiert wäre, wenn es mir nicht recht gewesen wäre. Aber in ihrer Stimme lag etwas, das nahe legte, dass es etwas schlimmes sein musste.

Etwa zwei Stunden lang wischte ich staub, reinigte den Teppich und putzte die Fenster. Nur für den Fall, dass der Bote in meine Wohnung kommen würde, was er zum Glück nie tat. Um viertel vor fünf setzte ich mich vor der Eingangstür hin und lauschte. Eine halbe Stunde später hörte ich die Tür unten aufgehen. Schwere Schritte auf den steinernen Stufen des Treppenhauses kündeten davon, dass jemand etwas schweres trug und sich nicht besonders viel Mühe gab, leise zu sein. Alles sprach dafür, dass es der Bote war. Ich sah durch den Türspion und erkannte einen jungen Mann, der einen blauen Plastikkorb trug. Noch bevor er klingeln konnte, öffnete ich die Tür. Ich genoss seine überraschte Miene. Man muss immer die Oberhand behalten, bei diesen Kurierleuten.

„Ich habe sie schon im Treppenhaus gehört. Sie sind neu in diesem Job, nicht wahr? Hier ist der leere Korb vom letzten Mal. Sie bekommen dann Achtundfuffzig Zweiunddreißig, stimmt `s? Hier haben sie sechzig, stimmt so. Und vielen Dank für das Herauftragen.“

Dieser Text kam von mir wie aus der Pistole geschossen. Ich hatte ihn genau einstudiert. Hätte der Bote irgendetwas gesagt, wäre ich vermutlich sofort gestorben. Einmal hatte ein sehr unangenehmer Typ sich darüber beschwert, dass ich ihm kein Trinkgeld gegeben hatte. Seitdem runde ich den Betrag immer auf. Dieser Bote war allerdings froh, dass ich bezahlt hatte und zu überrascht, um unfreundlich zu sein. Er wünschte mir einen guten Tag und machte sich aus dem Staub.

Zucker Es klingelte an meiner Tür. Erst erschrak ich, weil ich den Ton gar nicht mehr kannte. Ganz zu schweigen davon, dass ich eigentlich niemanden erwartete. Ich ging zur Tür und sah durch den Spion. Dort stand eine junge Frau, die ich nicht kannte. Ich ließ die Sicherheitskette vorsichtshalber an der Tür, als ich sie öffnete. Man hört heutzutage ja viel von Trickbetrügern und Räubern und wenn ihr muskelbepackter Kumpane neben der Tür hervorgesprungen kam, so konnte er die Tür nicht aufreißen und mir ein Messer ins Gesicht rammen. „Ja?“ „Guten Tag. Ich wollte mich nur vorstellen. Mein Name ist Gabi Willmer und ich bin in der Wohnung hier gegenüber eingezogen.“ Ah, sie war das also. Ich hatte in der vergangenen Woche gehört, wie sie mit ihren jungen Freunden Möbel durch das Treppenhaus getragen hatte. Die Studenten hatten dabei sehr ausgiebig und laut darüber diskutiert, wie man diese handwerkliche Herausforderung ihrer Meinung nach am Besten meistern könne und hatten sich dann für die ungünstigste und lautstärkste Methode entschieden. Ich hatte die ganze Zeit im Flur meiner Wohnung gesessen und mich geärgert. Ich hatte mir ausgemalt, wie die Klugscheißer rückwärts die Treppe runtersegeln würden und ihre Köpfe und Hälse von schweren Möbelstücken zerquetscht würden. Nun stand diese hübsche, kleine Frau vor mir und lächelte mich von unten her an. Sicherlich wollte sie Sympathie in mir wecken, damit sie den einen oder anderen Gefallen von mir erbitten könnte, weil ich ja insgeheim hoffen würde, dass ich dann mit ihr ficken darf. Das durfte natürlich in Wirklichkeit nur der muskulöse Sportstudent, der in den Reihen ihrer männlichen Dienstleister eben die Aufgabe hatte, gut auszusehen und ihre körperlichen Bedürfnisse zu stillen. Ich weiß nicht, was sie von mir erwartete, vermutlich eine Geste der Anerkennung und Bewunderung – so wie sie es sicherlich gewohnt war. „Willkommen in der Hindenburgstraße 9a.“ Mit diesen Worten schloss ich die Tür. Ich hatte eigentlich gehofft, dass meine Botschaft deutlich gewesen wäre, dass die Kleine sich um ihren Kram kümmerte und mich in Ruhe ließ. Aber vermutlich hatte ich an ihrem Selbstbewusstsein gekratzt, weil ich nicht vollkommen begeistert und entgegenkommend auf ihren Besuch reagiert hatte. Auf jeden Fall klingelte es etwa zwei Wochen später an meiner Tür. Da stand sie wieder, mit einer Kaffeetasse in der Hand. Wenn sie mir jetzt eine alte Tasse schenken wollte, würde ich ihr vermutlich das Nasenbein brechen. Ich öffnete die Tür. „Entschuldigen sie, wenn ich störe. Ich backe gerade einen Kuchen und habe gerade gesehen, dass mir der Zucker ausgegangen ist. Könnten sie mir vielleicht eine Tasse voll ausborgen?“ Soso. Sie versuchte also, mir die naive, kleine Hausfrau vorzuspielen. Vielleicht wollte sie auch nur einen Kuchen backen - vielleicht deutete ich schon viel zu viel in ihr schlichtes Verhalten hinein. Aber ich frage mich, wie man so bescheuert sein kann, einen Kuchen zu backen, ohne sich zu vergewissern, dass man alle Zutaten da hat? Selbst, wenn es einem passieren kann, dass man annimmt, man hätte von etwas noch genug, und dann ist es durch einen Zufall leer. So etwas ist entweder ein altmodischer Annäherungsversuch oder ein Eingeständnis von Unkoordiniertheit. Und wenn sie keinen Zucker mehr hat, dann muss sie eben auf ihren Kuchen verzichten. Aber das geht ja nicht. Heute will ja niemand auf etwas verzichten. Wie auch immer. Eigentlich hätte ich das ganze Unternehmen aus Prinzip nicht unterstützen sollen. Aber dann hätte sie mich vermutlich für ein vollkommenes Arschloch gehalten und wäre entweder noch aufdringlicher oder hinterhältig geworden. Ich nahm die Tasse aus ihrer Hand, sorgfältig darauf achtend sie nicht zu berühren und ging in meine Küche. Als ich die Tasse mit Zucker fast bis zum Rand füllte, um sicherzugehen, dass sie nicht wiederkommen würde, hörte ich ihre Stimme, aus dem inneren meiner Wohnung. „Eine hübsche Wohnung haben sie.“ Diese Person hatte doch tatsächlich gewagt, hereinzukommen! Diese Studenten kennen einfach keine Umgangsformen. Diese fetten, verwöhnten Wohlstandskinder brabbeln nur noch von Kommunismus und achten weder Privatsphäre noch Eigentum. Beinahe hätte ich ihr die Tasse gegen den Schädel geschleudert, aber ich beherrschte mich. Ich beherrschte mich gewaltig. „Bitte sehr.“ „Oh, danke. Sooo viel. Ich revanchiere mich, versprochen.“ Die Art und Weise, wie sie versuchte, niedlich zu sein, machte mich beinahe rasend vor Wut. Sie dachte vermutlich, dass ich mich zu Tode freute, weil sie sich irgendwie revanchieren wollte. Dass ich mir schon die wildesten Abenteuer ausmalen würde, wie sie gedenkt, mir die großzügige Zuckerspende zu vergelten. Wie sie mit den Augen rollte und einen kleinen Knicks machte – ja sie war ohne Zweifel ein schönes, fröhliches Mädchen. Voller Glückseligkeit und Optimismus. Zum Kotzen. Ich lächelte möglichst charmant, weil mir nichts mehr einfiel und versuchte, gelassen zu wirken. „Na ja, ich geh? dann mal wieder rüber. Ist echt nett hier, bei Ihnen. Wenn ich mich vernünftig eingerichtet habe, müssen sie mal vorbeikommen, auf ?ne Tasse Kaffee.“ „Ich trinke keinen Kaffee.“ Für einen Augenblick wirkte sie ernsthaft verblüfft. Ja beinahe erschrocken. Konnte es sein, dass jemand ihrem unglaublichen Charme wiederstehen konnte? Vielleicht würde sie jetzt durchdrehen, oder so. „Aber auf eine Tasse Tee würde ich mich überreden lassen.“ Und Lächeln. Auch sie lächelte. Vielleicht war sie wirklich naiv. Mag sein, dass sie in ihren jungen Jahren wirklich noch keinem schlechten Menschen begegnet war. Als sie gegangen war, setzte ich mich für einen Moment auf den Teppich. Ich habe Bauchschmerzen. Eine ganz dezente Übelkeit, seit einer Weile. Gerade so, dass man keinen Appetit auf irgendetwas hat. Ich mache mir eine Dose Ananas auf. Dann schließe ich die Tür zu meiner kleinen Werkstatt auf.

Eisen Der Hausmüll war ein echtes Problem. Der Verpackungsmüll zwang mich regelmäßig, meine Wohnung, ja sogar das Haus zu verlassen Ich litt unermessliche Qualen, wenn ich die Müllbeutel zu den großen Containern an der Straße brachte. Ob ich nun im Treppenhaus jemandem begegnete, der Wert auf ein kleines, belangloses Gespräch legte, oder ob ich auf der Straße von irgendeinem Köter angefallen würde. Irgendetwas konnte immer passieren. Ich hatte mir angewöhnt, den Müll um zwei Uhr morgens herunterzubringen. Erfahrungsgemäß war das der Zeitpunkt, an dem die wenigsten Leute unterwegs waren. Außerdem faltete ich Kartons und solche Dinge immer zusammen, so dass sie kaum Platz einnahmen. Ich reinigte die Verpackungen auch ein wenig, damit sich kein Schimmel darin bilden konnte. In diesem Verhalten unterschied ich mich vollkommen von den anderen Bewohnern des Hauses. Nicht nur, dass sie die Verpackungen nur lose in die Müllbeutel steckten, so dass am Ende sogar Müllbeutel vor den Containern aufgetürmt wurden, der Müll zersetzte sich zudem aufs widerlichste zu allerhand ekelhaften Aromen. Als ich auf die Idee mit den Dosen kam, verringerte sich meine Müllmenge auf ein verschwindend geringes Maß. Auf diese Weise musste ich relativ selten den Weg zu den Containern antreten. Es war gut, mit Metall zu arbeiten. An Tagen, an denen ich nichts Feinsinniges schaffte, zerschnitt ich die Dosen mit Blechschere und Eisensäge. Im Laufe der Zeit hatte ich mir eine kleine Metallwerkstatt eingerichtet. Meine fertiggestellten Arbeiten ruhten auf Regalen, die ich in der Werkstatt angebracht hatte: Ein kleine Häuschen, Bäume und einige Fahrzeuge hatte ich bisher gebastelt. Zur Zeit baute ich einen 1909er Rolls-Royce Silver Ghost im Maßstab eins zu zehn. Das Aufwendigste waren die Kotflügel und ich hämmerte schon eine Weile daran herum, um die Form perfekt nachzuahmen. Als das Telefon klingelte, hämmerte ich vor Schreck eine Beule in eine der Seitentüren. Warum nur, dachte ich, war in der letzten Zeit hier so viel los? War ich, ohne es zu wissen, vielleicht irgendwie berühmt geworden oder so was? Ich nahm den Hörer ab. „Klehwe?“ „Hallo, hier ist Michael. Na, habe ich Dich überrascht?“ „D-das kann man wohl sagen.“ „Hör mal, ich rufe an, weil ich ein kleines Treffen veranstalten wollte. So auf die alten Zeiten, Du verstehst. Markus kommt und – ach Du wirst ja sehen. Ich wollte Euch alle in mein kleines Ferienhaus im Norden einladen. Na, was hältst Du davon?“ „Wie geht es Rita?“ „Rita? Nun, sie ist jetzt in Kassel und macht da was mit Mode. Wir telefonieren hin und wieder miteinander. Was machst Du eigentlich so?“ „Ich bin … arbeitslos.“ „Oh, hey, vielleicht könnte ich mich mal in meiner Firma umhören. Die haben bestimmt was für jemanden wie Dich. Ich bin im Import-Export-Geschäft. Ganz große Sache. Unterhaltungselektronik, Du verstehst? Mensch, das wäre doch ein Knaller: Wir beiden Knallköppe in einer Firma. Oder?“ „Du, ich muss jetzt auflegen. M-mein Termin beim Arbeitsamt ist in einer halben Stunde und ich darf den Bus nicht verpassen.“ „Klar, also ich…“ Ich legte den Hörer auf und rannte ins Bad. Etwa eine halbe Stunde lang kotzte ich mir die Seele aus dem Leib. Längst, als ich schon nichts mehr im Magen hatte, kotzte ich noch krampfhaft Galle und das Wasser, das ich mir in den Kotzpausen eingeflösst hatte. Dieser Betrüger, dieser Wichser! Als ob ich nur im schlimmsten Alptraum daran dachte, an seiner Angebertour teilzunehmen. Der gute Michael wollte mal zeigen, was er sich so zusammengegaunert hatte. Dazu wollte er seine vermeintlichen Freunde einladen, die er um Strich und Faden beschissen hatte. Natürlich würden sie sofort anbeißen, wenn er seinen Wohlstand erwähnte. Und dann würden sie ihm alle auf die Schulter klopfen, weil er ja eine so geile Sau ist. Und Rita? Die hatte er mittlerweile abgeschrieben. Was für ein Verbrecher. Ich hatte sie damals geliebt, vergöttert! Mit kleinen Schritten war ich auf sie zugegangen, hatte vorsichtig versucht, ihr Herz zu erobern. Und dann war dieser aufgeblasene Ficker gekommen und hatte sie mir weggenommen. Nicht, weil er sie geliebt hatte. Nur, weil ihm gerade danach war, und weil es kein Problem für ihn darstellte. Oh wie ich diesen dreckigen Hund hasste! Wie ich sie alle hasste! Wie gut, dass ich sie los war. Wie Schade, dass sie mich verfolgten.

Ballaststoffe Ich fühle mich nicht gut. Ich habe Schmerzen im ganzen Körper. Vergangene Nacht habe ich von meiner Nachbarin geträumt. Sie war in meinem Wohnzimmer und saß auf meiner Couch. Ich hatte Kaffee da und kochte eine Kanne nach der anderen. In der ganzen Wohnung lag der bittere, saure Geruch von Kaffee. Ich hatte die ganze Zeit auf sie eingeredet und sie hatte sich irgendwie seltsam auf meinem Sofa geräkelt. Dann bin ich aufgewacht. Gestern ist mir schwindelig geworden und mir war einen Augenblick lang schwarz vor Augen geworden. Ich bin dann auf dem Fußboden meines Wohnzimmers wieder aufgewacht. Vielleicht sollte ich zu einem Arzt gehen. Ich habe keine Lust, etwas zu essen. Ich habe auch keine Lust, etwas zu basteln. Ich werde mich für einen Moment hinlegen. Die Augen schließen. Ich glaube, ich bin krank und ich glaube, dass ich jetzt nichts mehr dagegen tun kann. Ich sitze in meinem Rolls Royce Silver Ghost. Das Tor der Garage öffnet sich und gleißend helles Licht strömt herein. Die Scheiben des Ghost tönen sich automatisch dunkel. Ich fahre in eine Stadt aus Metall hinaus. Alles ist so schön und glänzend. Niemand ist hier außer mir. Die gleißend hellen Strahlen fahren direkt durch meinen Körper. Aber sie sind kalt. Ich fahre auf die Autobahn, die direkt in den Sonnenuntergang führt. Und dahinter mag die Hölle warten.
copyright: Kai Restemeier 2001

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BANG!!! Er hatte sich den halben Schädel weggeblasen. Sein Körper sackte in sich zusammen, bevor er langsam auf den Holzfußboden glitt. Es roch nach frischem Blut und ein wenig nach Wunderkerze. Seine Augen waren noch geöffnet. Sie waren die ganze Zeit geöffnet. Jenny blickte lang diese toten Augen. Sie hatten es zu weit getrieben, alles ausprobiert. Alles geschluckt, geraucht, getrunken, gespritzt, was sie bekamen. Sie kannten sich seit 3 Wochen und nun hatte er nichts Besseres zu tun, als sich in einem billigen Hotel mit einer Kanone das Hirn wegzuballern. Sie musste weg. Schnell und unbemerkt. Das Leben würde sich radikal ändern. Er hatte die Kohle, sie den Körper, den er wollte. Sie hatte es nicht als Prostitution empfunden, eher als eine Gefälligkeit. Das Age versetzt dich in den Zustand, der alles zulässt. Erniedrigung, Gewalt und Schmerzen. Sich nicht aufgeben, nicht hängen lassen hatte ihre Mum ihr immer gesagt. Klar, sie würde damit klarkommen, sie würde mit allem klarkommen. Sie brauchte nur ein bisschen Age und schon würde sie sich entspannen. Keiner wusste, dass sie hier war. Seine Kreditkarte musste sie ihm lassen, aber das Bargeld, dass stand ihr zu für ihre "Unannehmlichkeiten". Sie hätte sich auch erschießen können, sie hätte es sogar tun sollen, aber sie war zu feige, zu schüchtern und zu breit, um dass Ding bedienen zu können. Die Kohle würde schon für ein Taxi in die Stadt reichen, aber trampen war besser, so konnte sie sich noch was zu rauchen und vielleicht einen Milchshake leisten. Nach 1 Minute hielt ein Jeep mit 3 College-Studenten, die am Wochenende in der Stadt mal einen drauf machen wollten. "Hey Süße, das hier ist das beste Grass, das man in ganz New Jersey kriegen kann, mal probieren, siehst so aus als bräuchtest Du nen bisschen Entspannung.", der Halbstarke lachte und glotzte ihr auf die Titten. Der Rauch strömte tief in ihre Lungen und zerstörte ihre letzten Zweifel: Kill them all!

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Gewitter

Als er das vorletzte Mal in seinem Erbrochenen aufgewachte, beschloss er seine Gewohnheiten zu ändern. Aber es gibt eine letzte Flasche Korn und es gibt eine letzte Flasche Korn. Die Begrifflichkeit des "Augenaufschlagens" gibt nicht die Langsamkeit und Jämmerlichkeit dessen wieder, was dort mit seinen Fenstern zur Welt geschah. Das all mittägliche Ritual vollzog wie gewohnt, für einen Außenstehenden unendlich langsam, für den Betroffenen ziemlich schnell dafür, dass in seinem Hirn oder was davon übrig war, ein Jahrmarkt stattfand. Nachdem er wie jeden Tag einen Eimer Wasser über seine Kotze gekippt hatte, um zumindest die großen Brocken zu verteilen, kippte er hastig 3 Dosen Bier herunter, um den Hunger zu verdrängen, was nie klappte. Zum Glück war es um die Uhrzeit nicht schwer, eine Zigeunerwurst und eine doppelte Pommes Schranke zu kaufen, außerdem bot sich beim Imbiss immer die Möglichkeit einen Wachmacher aus Kaffee und ein paar Fläschchen Underberg zu trinken. Seitdem er sich das Rauchen abgewöhnt hatte, weil Zigaretten zu teuer waren und er es sich wieder angewöhnt hatte, weil sein Vater gestorben war und ihm 15.000 Mark vererbt hatte, ging es ihm wieder besser. Nicht zu Rauchen, wenn man trinkt, ist wie Sex ohne Anfassen. "Bist Du schon wach?" Die Stimme gehörte zu einem Haufen Frau, den er bis jetzt noch nicht wahrgenommen hatte. "Ich gehe Zigaretten holen." Zum Glück hatte er die Wohnung verlassen, bevor weitere Kommunikation stattfinden konnte. Die Frau, er war sich zumindest ziemlich sicher, dass es eine Frau war, hatte er vor 10 Sekunden zum ersten Mal in seinem Leben gesehen. Zum Glück würde er sie auch nicht wieder sehen, weil er beschlossen hatte, seine Wohnung aufzugeben. Weil Camel Filter (ohne), Lucky Strike und alle anderen Marken am Automat von diesen asozialen Studenten leer gekauft waren, zog er eine Schachtel West Light Ultra. Plötzlich hatte er große Angst schwul zu werden und warf die Kippen samt Verpackung in ein koreanisches Nudelgeschäft. Der Imbisswagen war über Nacht wohl abgebrannt, also blieb ihm nichts anderes übrig als im Aldi eine Tiefkühllasagne, 3 Flaschen Weinbrand und eine Stange Tawa zu kaufen. Die Tiefkühllasagne nahm den gleichen Weg, wie die Schwuchtelzigaretten, weil er jetzt ja ohne Wohnung und daher auch ohne Backofen war. Der Döner, den er kaufe und aß, bestärkte ihn in dem Gedanken wieder nach Berlin zu gehen. Der 2 Döner, den er aß war besser als der erste, aber auch schärfer. Zum Glück hatte der Dönermann kein Problem mit Weinbrand trinkenden Kunden. Je mehr er trank, desto großer wurde sein Verlangen die Frau, die in seiner Wohnung lag, wieder zu sehen. Nach 2 Flaschen Weinbrand sah er sich in der Lage. Im Hausflur traf er auf einen kleinen Junge, der mit einem Ball auf dem Weg nach draußen war. Der Junge war ungefähr so alt wie er als er noch jung war, nur großer und mit hellem Haar. Weil er das Schlüsselloch kaum noch traf, klingelte er an seiner eigenen Wohnungstür. Er hatte das schon öfter getan, nur mit dem Unterschied, dass dieses Mal eine echte Chance bestand, dass wirklich jemand die Tür öffnete. "Ich habe was zu trinken mitgebracht.", lallte er. Er hatte seit mehreren Monaten keinen Sex mehr mit einer Frau gehabt, die nicht mindestens 50 Mark für 10 Minuten wollte. Innerlich malte er sich die wildesten Sachen aus, aber als die Geschichte dann überraschenderweise tatsächlich zur Debatte stand, konnte er nicht mal den Reisverschluss seiner Hose öffnen, bis er bemerkte, dass er seine rot-weiße Fortuna Düsseldorf Trainingshose an hatte, die neben vielen Flecken vor allem durch die absolute Abwesenheit eines Reisverschlusses glänzte. Die Frau war etwas verwundert, ob der Tatsache, dass er sein Genital in ihre Nähe brachte, schien sich aber ihrer Verantwortung bewusst zu sein. Ob er an diesem Spätnachmittag tatsächlich Sex hatte, konnte er nicht mit Sicherheit sagen, da er irgendwann bewusstlos geworden war. Die Frau war weg, aber zumindest war noch Weinbrand da, jetzt brauchte er nur noch Zigaretten.

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Das sind über zwanzig Euro!
by Kailoi (23.07.24, 11:02)
Und Kaloi hat die
Bilder dazu gemalt 😺
by Albtraumjaeger (06.12.21, 14:08)

Matze macht Märchen https://beffana.net/blog/2021/12/01/beffana-2021-staffel-6-folge-1-der-rattenkoenig/
by Kailoi (03.12.21, 14:00)
Die Tage werden wieder kürzer.
Vielleicht sollten wir unsere Schreibtische verlassen und zwischen den...
by Kailoi (29.09.21, 20:20)
fun fact
by Kailoi (12.07.21, 12:16)
Online seit...
by ChrisTel (18.06.21, 22:49)
danke. hat mich gefreut!
:)
by Anonymus (23.06.20, 15:30)
von mir auch allet
jute!
by kraehenpost (18.06.20, 10:58)
Online seit...
by ChrisTel (18.06.20, 09:02)
Online
by Anonymus (13.06.20, 12:10)
#thismorningwalk
by Anonymus (13.06.20, 12:08)
Uuuuund... noch'n Podcast hier: https://im-moor.net
(kann man ruhig hören. ist seehehr gut))
by Albtraumjaeger (13.04.20, 18:12)
Weihnachtshexe Beffaná FYI Ich hab
einige Songs meiner diesjährigen 24-teiligen-Podcast-Serie über die Weihnachtshexe Beffaná in...
by Albtraumjaeger (07.01.20, 17:41)
Habs mir gerade angehört.
Cooler Text. Frohes Neues!
by Albtraumjaeger (02.01.20, 09:39)
Brückengeländer
by Anonymus (31.12.19, 13:27)
:)
by Anonymus (31.12.19, 13:24)
Farbe ist meine Welt
by ChrisTel (23.12.19, 00:13)
Respekt Was sind das für
Wesen, die von hinter ihrem Zaun aus 2 Zentimeter Entfernung...
by marraine (11.12.19, 14:08)
👍🤗
by Albtraumjaeger (06.12.19, 14:58)
Update 6.12 Ich habe
mich entschlossen, den ganzen Kram einfach wieder in Ordnung zu...
by marraine (06.12.19, 14:47)
Ach du fuck! Ichhab gestern
Abend aus einer Laune heraus Lotto gespielt. Wenn ich...
by Albtraumjaeger (06.12.19, 07:50)
Advent, Advent Ich versuche ja
geduldig zu sein, Erwachsen und einsichtig, ruhig und gelassen, die...
by marraine (06.12.19, 01:47)
Jean-Luca
by ChrisTel (28.11.19, 14:02)
Vielleicht tröstet dich neben diesem
"Ich werde alt"-Gefühl auch die Einsicht, dass die Schwelle...
by Kailoi (01.10.19, 12:29)
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