Sonntag, 20. März 2005
Der Laden
Albtraumjaeger
17:37Uhr | tag: Fingeruebungen
Ein Mann steht im Laden, ein kleiner Mann mit grauem Haar und schwarzem Schnurrbart. In der linken Hand hält er einen Hut, eine Seltenheit heutzutage. Er geht direkt auf die Ladentheke zu, auf mich also, und spricht mich an. „Ich suche etwas Besonders,“ sagt er, „etwas, das nicht jeder hat.“ Er sei zu etwas Geld gekommen, langfristig, das wolle er nun etwas pointierter signalisieren als bisher. Man warte ja doch zuerst etwas ab, ob sich der Wohlstand länger halte, um nicht dem Spott der Neider zu erliegen, falls sich dann doch geschäftlich etwas nicht so recht entwickle, anders jedenfalls als angedacht. Und wenn man dann schon seine Accessoires dem neuen, großzügigeren Lebensstil angepasst hätte, wie schäbig es dann wirken musste, verkaufte man das eine oder andere wieder, vor der Tür die leeren Lieferwagen, in die die gerade neuen Kostbarkeiten nun wieder eingeladen würden; die Nachbarschaft sei auf der Hut, es bliebe nichts verborgen und dann sei das Gerede doch wieder groß. Nein, nein, das gelte es peinlichst zu vermeiden. Doch nun sei endlich seine Zeit gekommen, was ich ihm also anzubieten hätte. [read on] „Dort vorne, die Regale nahe der Tür, dort finden Sie eine sehr ordentliche Auswahl der großen Marken am Markt. Nicht das gewöhnliche Zeug, nein, keinesfalls, schon exquisite Stücke seien das, von größter Weichheit, allerbester Stärke, Sie verstehen.“ Das habe er sehr wohl verstanden, allein, er wolle abermals betonen, dass es ihm nicht um einen Allerweltskauf ginge, er habe sich doch sehr bewusst für diesen Laden hier entschieden und sei durchaus bereit – und damit wolle er die eben angepriesenen Produkte keinesfalls schlechter machen als sie ohne Zweifel seien – er sei bereit, durchaus ein wenig mehr zu investieren, als nur die üblichen paar Euro, die er sonst für solche doch eher alltäglichen Utensilien auszugeben gedenke. „Ich bin ja sowieso der Meinung, dass man in gute Qualität gar nicht genug Geld stecken kann, wenn man die Wahl hat selbstverständlich, nicht wahr,“ erwidere ich schnell, „nur müssen Sie verstehen, dass ich zuerst die Vorzüge der gehobenen Markenware angepriesen habe, denn die meisten Kunden sind doch ein wenig kleinlich – die Zeiten, die Zeiten – man würde mich womöglich gleich den größten Scharlatan und Geldabschneider schelten, wenn ich sogleich versuchen würde, teure Einzelstücke an den Mann zu bringen.“ „Was können Sie mir also bieten?“ „Da wäre hier, ja, folgen Sie mir nur, hier gleich rechts die aufgearbeitete Kollektion eines großen amerikanischen Herstellers, der man jedoch in Handarbeit mit einigen handgemalten graphischen Applikationen zu einem hohen Grad an Individualität verholfen hat. Und wenn ich sage „man“, so meine ich nicht zuletzt meine eigene Person,“ - an dieser Stelle lächle ich bescheiden - „Sie müssen wissen, dass ich durchaus etwas Talent in Dingen der graphischen Gestaltung kleiner Flächen für mich reklamiere, nicht ganz so viel, dass ich die Kunst zu meinem Brotberuf zu machen mich getraute, aber doch, dass ich schon einiges Lob in dieser Hinsicht von verschiedensten Leuten – Kennern durchaus – einstreichen konnte.“ Ja nun, wenn er sich einige der Stücke etwas näher betrachte, ginge doch ein gewisser Reiz von ihnen aus, doch bleibe klipp und klar der Makel, dass nur an einigen Blättern dieser doch sehr hübsche individuelle Zug zum Tragen komme, ansonsten der Eindruck eines guten, aber doch eher gewöhnlichen Produktes vorherrsche. Es solle doch auch und gerade für gelegentliche Gäste an möglichst jeder Faser zu erkennen sei, dass man in seinem Haus nun wirklich keine Kosten und Mühen gescheut habe, um ihren Aufenthalt in Gänze zu einem unvergesslichen Erlebnis zu machen. „An jeder Faser, wie? Nun das engt den Kreis der in Frage kommenden Objekte doch erheblich ein. Wie Sie mit sicherem Blick wohl bereits festgestellt haben, beruhen fast alle unsere Kollektionen auf dem Prinzip der Verfeinerung in jedem gut sortierten Fachhandel erhältlicher Produkte. Auf dem Gebiet der kompletten Eigenproduktion sind wir zwar auch aktiv, allerdings nur mit einigen Stücken für den sehr speziellen Geschmack. So kann ich ihnen nicht versprechen, dass ich in dieser Kollektion etwas für Ihren exquisiten Geschmack passendes finde. Ich solle es versuchen. Nun. hier in der Vitrine rechts von ihm finde er das sicherlich ausgefallenste Stück des ganzen Geschäftes, von Hand gegossenes Papier, mit einem Endlospanorama lückenlos bemalt bis auf das letzte Blatt, gewickelt um ein rank und schlank gewachsenes und nur ganz leicht geschliffenes Stück Ebenholz. Die Stärke des Papiers entspreche dabei in etwa den vierlagigen Äquivalenten aus dem Supermarkt. Das habe selbstverständlich seinen Preis. Und damit sei nicht nur das finanzielle Moment gemeint, nein, auch die körperliche Beanspruchung sei doch eine gänzlich andere. Aufgrund der aufgerauten und mit Acryl bemalten Oberfläche komme es bei einer nicht unerheblichen Zahl von Konsumenten zu einigen Irritationen der Haut an der gewissen Stelle. Das sei ihm egal, er nehme es. Er lässt sich die Rolle in ein wenig Packpapier und eine Tüte einschlagen und zahlt schweigend. Ein Dutzend weitere Rollen erwarte er die nächsten Tage dann per Lieferung. „Selbstverständlich“, flöte ich ihm hinterher, als er bereits forschen Schrittes dem Ausgang zustrebt. „Verlassen Sie sich auf mich.“ ... Comment
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