Was es über Datenschutz zu sagen gibt
Mittwoch, 15. Februar 2006
Was es über Datenschutz zu sagen gibt

So wie in jedem ordentlichen Verein ein Schriftführer gebraucht wird, der bei Jahreshauptversammlungen das Sitzungsprotokoll führt (Top1: Feststellung der Beschlussfähigkeit; Top 2: Bericht des Vorstands über die Vereinsaktivitäten des letzten Halbjahres; Top 3: Bericht des Kassenwartes über die Finanzentwicklung;...), braucht jede Institution, jede Firma, jede Behörde, im Prinzip jeder Haushalt in Deutschland mindestens einen Datenschutzbeauftragten. Datenschutzbeauftragte befinden sich im ständigen Krieg mit 1. Bill Gates und 2. dem CIA/FBI/Weißen Haus/BND. Datenschutzbeauftragte sorgen mit ihrem unermüdlichen Kampf gegen das datenhungrige Böse dafür, dass wir unsere Wohnungen verlassen können, ohne dass wir a) sofort wegen irgendwelcher vergessener Jugendsünden eingesperrt werden oder b) von einem Haufen personalisierter Werbepost erschlagen werden, sobald wir den Briefkasten öffnen. Ohne Datenschutzbeauftragte würde niemand von uns einen festen Arbeitsvertrag bekommen, da die Arbeitsgeber sonst von unserer genetischen Veranlagung für notorische Faulheit Wind bekämen. Unsere Krankenkassenbeiträge wären höher als unser Bruttogehalt, weil unsere Urgroßmutter mal an Sauerstoffallergie gestorben ist und wir dazu neigen, trotz nachgewiesener Todesgefahr Fett und Kohlenhydrate in uns hineinzustopfen. Datenschutzbeauftragte machen unser Leben erst lebenswert. (read on)

Doch gestern Abend, als ich die Hermannstraße in Neukölln entlanglief und nach blogwerten Erlebnissen fahndete, hatte ich eine Eingebung. In einem Kramladen zwischen Antiquitäten und Elektroschrott saß ein alter Mann und starrte aus dem Fenster. Es war 22 Uhr. Das matte Licht einer Schreibtischlampe spiegelte sich in seinen Augen, die eine seltsame Mischung aus Zufriedenheit und Resignation ausstrahlten. Für eine halbe Sekunde zögerte ich, überlegte meine Kamera herauszukramen und ein Foto von dem Alten in seinem Laden zu machen. Doch erstens hatte ich die Digicam zu Hause vergessen und zweitens klopfte mein kleiner persönlicher Datenschützer an mein Innenohr, ließ mich kurz straucheln und flüsterte: „Det darfste abba jarnich, wa!“ Und er textete mich mit einer seiner blogfeindlichen Tiraden zu, zu denen er momentan neigt. Von wegen, dass Blogger schäbbige Voyeure seien, die durch die Gegend rennen, ungefragt Menschen beim Nasepopeln fotografieren, die Fotos im Internet veröffentlichen, tausendfach verlinken, den Eintrag bei Google auf Rang 1 für den Suchbegriff „Porno“ katapultieren und damit ganze Karrieren zerstören können. Dass Blogger die Welt ständig mit ihren Menstruationsbeschwerden zutexten und CIA/FBI/Weißen Haus/Bill Gates/BND/Proctor & Gamble so freiwillig individualisierte Menstruationszyklen offen legen, anhand derer sich exakt Terroranschläge und Tamponabverkaufszahlen vorhersagen lassen. In der Weise plapperte er mindestens zehn Minuten mit einem schlecht imitierten berliner Dialekt und unter ständigen Attacken gegen meine Gleichgewichtssensoren auf mich ein, dass ich mehrmals auf den Gehsteig fiel und mich erbrach.

So kam es, dass ich gestern Abend auf der Hermannstraße in Neukölln begann, einen leichten Widerwillen gegen den Datenschutz und seine VertreterInnen zu entwickeln. Schließlich entledigte ich mich meines Anoraks, der ganz erbärmlich nach Erbrochenem stank, rannte die Straße herunter und schrie gegen die Schaufensterscheiben der so zahlreichen KFZ-Unfallgutachterbüros: „Vade retro, Datenschutzbeauftragternas, du hast keine Macht mehr über mir (sic! weil in Berlin)!“ Denn mein von allen körperlichen Giften gereinigter Geist hatte die wahre Absicht der Datenschützer dieser Welt geschaut. Sie wollen uns auslöschen. Wie Geister sollen wir durch die Städte irren, geduckt, die Kragen nach oben geschlagen, von keiner Überwachungskamera erblickt und von keiner Bonitätsagentur erfasst. In anonymen Wohnzellen ohne Namensschilder sollen wir uns verkriechen. Geheime Telefonnummern besitzen, die nicht mal wir selber kennen. Und beerdigt sollen wir werden in namenslosen Massengräbern oder eingeäschert liegen in metallenen Urnen ohne Hinweis auf unser einstiges Leben. Noch zu Lebzeiten sollen wir dem kollektiven Gedächtnis der Menschheit entkommen, ohne Spur unserer Existenz und niemand soll sein Leben preisgeben der Öffentlichkeit. Doch wer das Leben anderer preisgibt, wer Fotos macht oder Texte schreibt über andere, der soll verklagt werden bis in alle Ewigkeit und durch alle Instanzen bis nach Straßburg.

Also ging ich in die Wohnung, holte meine Digicam und lief zurück, um ein Foto von dem alten Mann in seinem Laden zu machen. Der Laden war verschwunden.

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Ich sage nichts ohne meinen Datenschutzbeauftragten.

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ich habe meinen auf einer bahnhofstoilette ertränkt. er ertrug es ohne gegenwehr, um keine dna-spuren auf meiner vollgekotzten jacke zu hinterlassen.

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worauf ich dann den spaten nutz´
den toten mann vom datenschutz
vergrabe tief im gartenschmutz

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ich wühl nicht gern mit spaten
und spühl den herrn der daten
durchs klo. obs klappt? abwarten.

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