Mit einem monotonen Surren glitten die Glastüren des Supermarktes zur Seite. Im Eingangsbereich bei den Einkaufswagen traf ich auf Johanna Rothe. Ihre vier Monate alte Tochter schlummerte friedlich in einem dieser bunten Rucksack-Tragevorrichtungen. Johanna hatte ihr Kind Live und in Farbe auf RTL II zur Welt gebracht. >>>

Sie erzählte mir, dass die kleine Saphira jetzt Werbung für Säuglings-Hygieneprodukte machte. Sie vertraute mir auch an, dass sie zur Zeit über eine Schönheitsoperation nachdachte und dass ihr Manager ihr gesagt habe, da könne man vielleicht etwas fürs Fernsehen draus machen. Ich bestätigte ihr, wie toll das alles wäre und wie niedlich das kleine Menschlein sei und machte mich eiligen Schrittes auf den Weg in den Supermarkt. In der Gemüseabteilung wurde ich Zeuge der Begegnung von Florian Homann, dem ehemaligen Daily-Soap-Star, der jetzt Gemüsekisten stapelte, und Sirius Schmidt, dem berühmten Fernsehkoch. "Sag mal, habt ihr australische Fledermausfeigen und Zwiebelgras?" Flo sah den Starkoch etwas verwundert an. "Nein, Du, aber, ich, kann ... fragen. Ob wir welche im Lager. Haben." Ich lud ein paar Bananen und einige Tomaten in meinen Einkaufswagen und ging weiter. An der Fleischtheke traf ich auf Marco Heide, den berühmten Comedy-Star und Fleischerei-Fachverkäufer. "Weißt Du, warum Schweine einen geringelten Schwanz haben?", er grinste mich vielversprechend an und nickte leicht mit dem Kopf in Richtung Fleischwurst. Ich beschloss, dass ich mich sowieso gesünder ernähren wollte, strich in Gedanken das Fleisch von meinem Einkaufszettel und flüchtete zu den Gebäckwaren. Dort starrte mich ein Elfjähriger an und fragte schließlich, woher er mich kennen würde. Ich versicherte ihm, dass ich noch nie im Fernsehen war und er wirkte etwas enttäuscht. Ich erklärte ihm, dass ich mal im Lokalteil der Zeitung gewesen war. Mit Foto. Das munterte ihn etwas auf. Er bestand darauf, dass ich ihm ein Autogramm gebe und ich tat ihm den Gefallen. Er wolle später einmal auch berühmt werden. Ich wünschte ihm viel Erfolg, obwohl es mittlerweile schwieriger war, nicht berühmt zu werden. In der Getränkeabteilung traf ich auf den renomierten Videokünstler Bernd Wegemeier, der mit einer Digitalkamera vor einem am Boden liegenden und aufgeplatzten Tetrapack kniete. "Diese Dramatik, dieses Farbenspiel! Dieses Zeugnis menschlichen Ungeschickes trägt so eine intensive melancholische Botschaft, so einen Ausdruck von Vergeblichkeit und Scheitern kurz vor der Erfüllung der Bestimmung. Fantastisch!" Ich packte zwei Pakete des melancholischen Saftes in meinen Einkaufswagen. Eine angenervt wirkende Angestellte des Supermarktes bog mit einem Wischmop um die Ecke. Ich ging weiter zur Kasse, wo ich bereits den vertrauten Superhit von Sabrina Rodriguez hörte, die laut intonierend Waren über den Kassenscanner zog. Der emotionsgeladene Song, der mir aus irgendeiner Werbung für Waschmittel bekannt war, harmonierte leider nicht mit den Technobeats von DJ Zonk, die aus der Lautsprecheranlage des Supermarktes ploppten. Der gefeierte Star hatte doch tatsächlich zwischen Ibiza und Mallorca einen Zwischenstop im örtlichen Discountmarkt eingelegt. Wie er über die knisternden Lautsprecher des Ladens verkündete, seien "Local Event Surprises" das coolste und trendigste, was man zur Zeit so machen könnte, und dass Rotzenbecker Müsli zur Zeit im Sonderangebot wäre. An der Kasse vor Sabrina Rodriguez stand Lu, die neue Moderatorin von Viva2 und wusste nicht so Recht, ob sie Sabrina oder DJ Zonk geiler finden sollte, war aber auf eine lässige Art und Weise irgendwie voll begeistert. In der Kassenschlange hinter mir stand Karsten Müller, der Talkmaster der Talkshow "Karsten Müller" und fragte mich, wann ich das letzte mal Sex gehabt habe. Als ich ihm erklärte, dass ihn das nichts anginge, wollte er mir ein Autogramm aufschwatzen. Er hatte vergessen, dass ich schon einmal eins angenommen hatte. Die arme Sau tat mir irgendwie Leid. Auf dem Weg nach Hause traf ich auf ehemalige Fussballspieler, Quizshowmoderatoren und Schlagersänger. Zu Hause angekommen schloss ich die Tür von innen ab und verbrachte den Rest des Tages damit, ein Buch zu lesen.