MEMOMARATHON: Das Floss kehrt zurück (Fortsetzung)
Donnerstag, 26. August 2004
MEMOMARATHON: Das Floss kehrt zurück (Fortsetzung)

DIE IDEE: Der Kurzgeschichten-Zyklus "Das Floß" ist der (zugegebenermaßen relativ sentimentale) Versuch, Tagträume, Wirklichkeitsfluchten und Phantasien ganz verschiedener Personen festzuhalten. Sprachstil, Form und "Ernsthaftigkeit" der einzelnen Geschichten sind dabei völlig freigestellt.

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DAS PROZEDERE: Den Rahmen für den Zyklus habe ich bereits geschrieben, er ist kursiv gesetzt. Wenn Ihr ein neues Kapitel schreiben wollt, kopiert bitte diesen Einleitungsteil (DIE IDEE und DAS PROZEDERE) und den Rahmen, legt eine neue Geschichte mit dem Topic "Das Floss" an, fügt den kopierten Text dort ein und schreibt Eure Geschichte darunter. Als Titel nehmt den Titel Eurer Episode.


Wenn die Fenster erloschen sind, ein leiser Regen die Letzten in die Häuser zwingt und der Wind den Abfall der Straße vor sich her treibt, träfe man auf eine äußerst merkwürdige Gesellschaft – unten, am Fluss – trieben Feuchtigkeit und Kälte einen nicht zurück ins Haus oder die Wohnung, ins Schlafzimmer oder auf die provisorische Schlafcouch, Hauptsache, ein Dach und etwas Wärme in dieser Nacht. Die Gestalten am Fluss stört dies wenig, tatsächlich sind Zeitpunkt und Witterung ihrer Treffen mit Bedacht so gewählt, dass niemand sie so, scheinbar schweigsam stehend, jeder und jede ganz in sich selbst versunken, anträfe oder gar störe. Ihre Zahl ist schwer zu schätzen; Bäume, Weiden vor allem, stehen zwischen Ihnen und um sie herum, und auch sie, die dort stehen, kennen ihre Zahl nicht genau, können sich kaum sehen zu dieser Zeit an diesem Ort. Ein Autoscheinwerfer oder das Licht einer Lampe nähme diesem Bild schnell die romantisch- mystische Attitüde, die es durch die Umstände des Zusammenkommens nur zu leicht erhält. Das kurz aufblitzende Licht eines Feuerzeugs, das für kurze Zeit – geschickt abgedeckt – dem kalten Wind trotzt, deutet den wahren Anblick der Gruppe an, der sich bei hellem Tageslicht dem Spaziergänger böte.

Der Zweck dieser Zusammenkunft ist jedes Mal derselbe: Man baut ein Floß. Aus Weidenholz und fester Schnur, mit einigen Nägeln, Teer und Tuch wird ein großes Holzfloß gefertigt, das Platz für all jene bietet, die sich hier regelmäßig versammeln. Und doch ist es jedes Mal ein anderes. Genaue Form und Farbe des Gefährts wechseln ebenso wie Abfahrtszeit und Besatzung. Und immer steht eine andere der grauen Gestalten am Ruder, bestimmt die Fahrtziel und Fahrtrichtung.

Nach einiger Zeit der Sammlung und des Schweigens erhebt jemand die Stimme: „Ich habe ein Floß gebaut.“

Wäre ein Spaziergänger hier vorbeigekommen, oder ein Briefträger an der nicht weit entfernt verlaufenden Uferstraße, er hätte den reglosen Körper vielleicht für eine Leiche gehalten. Das stimmte auch fast. Ob es nun Zufall war oder ein übernatürliches Zeichen, just in dem Augenblick, als das Floss das Ufer berührte - und zwar an der Stelle, von der es vor unzähligen Monaten aufgebrochen war - da regte sich der Reglose.

Kalt war es an diesem frühen morgen. Kalt und nass. Erinnerungen prasselten auf den müden und benommenen Geist ein, gute und schlechte. Ein Hund bellte in der Ferne, sonst war es still.

Mit ruckartigen Bewegungen versuchte er, sich aufzurichten. Er rutschte etwas hin und her, versuchte, sich am dicht bewachsenen Ufer festzuklammern und rutschte fast vollständig ins Wasser. Ein wilder Kampf entbrannte: Er gegen das Untergehen. Letzte Reserven von Kräften, die aufgezehrt schienen, traten zutage. Ein vorläufiger Sieg wurde erzielt.

Er lag mehr tot als lebend auf dem kühlen, vom Morgentau benetzten Gras und sah einem schwarzen Käfer zu, der sich seinen Weg über die Grashalme bahnte. Er war jetzt zurück. Er wusste nicht was er erwartet hatte, oder wen. Er wusste nicht mehr, als wer er aufgebrochen war, wie er zu all dem gekommen war, und warum.

Er atmete schwer. Nichts war hier. Keine Flösse, keine Bäume, keine Leute, keine geheimnissvollen Rituale. Den meisten wird es langweilig geworden sein. Viele sind wahrscheinlich nach ein paar Kilometern in einen Bus oder ein Taxi gesprungen und nach Hause gefahren.

Zu Hause. Wo war das jetzt überhaupt? In der Ferne: Stimmen.

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