enviromentalistische hypothese: die fähigkeit, sich kleidungsstücke zu beschaffen, ist nicht genetisch bedingt. indizien: erstens: entwicklungsgeschichtlich gesehen ist das bedürfnis, sich mit geweben aus pflanzenfasern, tierhäuten oder petrochemischen derivaten einzuhüllen, sehr jung. zweitens: wäre etwas so flüchtiges wie modegeschmack im erbgut implementiert, müssten viel mehr menschen mit zwei nasen, dekorativen hörnern oder violett gepunkteter nackenbehaarung herumlaufen.

ich jedenfalls bin unfähig, mich selbst mit einer akzeptablen garderobe auszustatten. wer mich gelegentlich sieht, kann das bestätigen. die zeiten, in denen man diesen mangel als gewollte grunge-punk-lebensphilosophie vermarkten konnte, sind vorbei. mit wachsendem unwohlsein komme ich zu dem schluss, dass die klamotten zu klein, zu kaputt, zu verbleicht sind. eine weile schiebe ich die ungeliebte aufgabe vor mir her, zwänge mich sogar in zu eng gewordene jeans, sage mir: du trainierst ja, das format hast du bald schon wieder erreicht. dann kommt das eingeständnis: du musst los. geh hin zum bekleidungsfachgeschäft.

ich gehe hin. heute, direkt nach der arbeit. gleich in den ersten laden rein. da schreit mich die farbe dieses sommers an, ein blasses orange, varianten mit tendenz zum rosa, dieses unsägliche apfelgrün, das sie niemals als trendfarbe auslassen, weil es so trendfarbig ist. alles kombiniert mit cremefarbe und weiß und streifen und ösen. ich denk noch bonbonladen. es laufen ja immer mehr männer mit rosa pullis rum. meistens sonnenbankathleten. ich muss da den kopf schütteln. rosa bleibt für mich ne mädchenfarbe. bin aber wohl doch in der damenbekleidungsabteilung. gehe zu den herrenhemden. fast nur kurzärmelig. na gut, denke ich, wird ja auch warm draußen. kurzärmelige hemden finde ich aber scheiße und das nicht nur, wenn sie, wie die meisten hier, kariert oder fehlfarben sind und aus einem material, mit dem man höchstens einen pudel als geschenk verpacken könnte. hemden: hier nicht. fahre mit wachsender frustration ins obere geschoss, hosen ansehen. man hat die wahl zwischen anzughosen, bollerjeans und cargohosen mit abnehmbaren beinen, die man mit einem bindfaden an einem windigen tag steigen lassen kann. hosen: fehlanzeige. verwirrt streife ich zwischen den reihengarderoben entlang, versuche servicebedürftig auszusehen auf dass sich die ungezwungen mit den kollegen plaudernden bediensteten sich meiner hilflosen gestalt annehmen und dinge sagen, wie: "ach, sie suchen robuste kleidung in dezenten farben? da habe ich noch etwas im lager, das kann ich ihnen zum vorteilspreis anbieten". meine geduld reicht nur so lange, bis ich den weg zur abwärts führenden rolltreppe zurückgelegt habe und mir einrede, dass ich auf dem weg zum ziel nicht versagt habe, sondern nur in einem ungünstigen augenblick da war. ich gehe durch die einkaufszone, vorbei an jungen, modischen bekleidungsgeschäften, langsam verlässt mich doch der mut. meine innere zerissenheit führt mich zu einer übersprungshandlung: ich kaufe mir eine pizza. dann fahre ich nach hause, in der straßenbahn sehe ich mir die kleidung anderer leute an. an einem anderen tag, an einem anderen ort ist das vorläufige fazit der heutigen überlegungen.