Selbst die Stimme vom Adolfclon klang traurig aus den Lautsprechern der U2. Der Kanzlerin ging es nicht gut. Sie war Opfer der Partei geworden, die sie aufgrund zukünftiger Regierungsbestrebungen fallen gelassen hatte. Sie, die in den Labors als Restposten aus den frühen Experimenten unter dem Namen Süßmuth/Kohl-Hybrid bekannt ist, hat keine Zukunft mehr in einer Welt, die keine Zukunft mehr hat. Vielmehr setzt man nun auf das Modell Blanco/Stoiber-Hybrid für das man aus nicht näher auszuführenden Gründen nicht einmal großartig in der gentechnischen Trickkiste wühlen musste.

"Bötte ... z´röckbloibn!", die Pause zwischen den rücksichtsvoll gemeinten Befehlen spricht Bildbände. Alles ist mit allem verbunden und alles sieht nun mal nicht gut aus. Die Finanzkrise hat auch den genetischen Forschungsbetrieb im Münchner Untergrund erreicht. Adolfclon hat offenbar am heutigen Morgen erfahren, dass die Fertigstellung seines zweiten Hodens auf unbestimmte Zeit verschoben werden muss.

Im Treppenhaus herrscht Aufregung. Die Gattin weckt mich mit der Bitte um Aufklärung. Ich lege mein Ohr an die Haustür und schnappe das Wort "Selbstmord" auf. Ein Blick aus dem Fenster bestätigt die Anwesenheit von Polizei und Notarzt. Sie tragen die Nachbarin aus dem Untergeschoss heraus. Mir lediglich aus einigen kurzen, herzlichen Begegnungen bekannt, bei denen ich Pakete bei ihr abholte, die der müde Postbote mit Hilfe verschiedener Vorwände bei ihr, statt bei mir im vierten Stockwerk abgegeben hatte. Sie trägt einen Druckverband am rechten Handgelenk. Sehr klein - wohl mehr ein Hilfeschrei als ein ernsthafter Versuch. Das ist die Großstadt. In unserem kurzen Stückchen Straße, das uns eigentlich Ruhe bescherte, weil es in den Anfang einer Schrebergartenkolonie, statt in eine andere Straße mündete hatten wir schon alles: Polizei, von zwei lautstarken Mitbürgern mit Migrationshintergrund herbeigezwungen, die sich aus irgendeinem Grund mit den Bistrostühlen der Bäckerei an der Ecke bekriegten; Feuerwehr, ein großer Wagen, von dem ich mich bis heute frage, wie er sich in die halb zugeparkte Seitenstraße manövrieren konnte, nur um festzustellen, dass es wohl ein falscher Alarm war, vielleicht eine vergessene Bratpfanne auf dem Herd; und nun der Krankenwagen, der die todeslustige Nachbarin abtransportierte.

Im Grunde bin ich Konstruktivist: Am Anfang des vergangenen Jahres konnte ich mein Glück kaum fassen, so viele erfreuliche Ereignisse häuften sich. Vielleicht trage ich selbst Schuld. Haben meine Zweifel, dass dieses Glück auf der einen Seite eine Menge Unglück mit sich bringen würde, nur um ein unsichtbares Gleichgewicht zu erhalten, das Unglück selbst herbeigeführt?

Hauptsache gesund, heißt es doch. Wenigstens das kann ich behaupten. Und wenn meine kosmische Gleichgewichtshypothese zutrifft, sollten gute Zeiten folgen. Die Hoffnung stirbt zuletzt und wer zuletzt lacht, lacht am besten. Vielleicht bringt mich die Publikation von "Reise nach Glogmonien" ja ans Licht oder ich sollte anfangen, Lotto zu spielen. Ja, ich sollte gleich morgen einen Lottoschein kaufen...