Donnerstag, 30. September 2004
MEMOMARATHON: Ohne Dialekt
Albtraumjaeger
14:47Uhr | tag: Dat wahre Leben
Das wahre Leben besteht leider nicht nur aus ostwestfälischem Dialekt, Gyrosbuden und ignorantem Landvolk. Manchmal sind da auch Kollegen, die ihren Job schmeißen, weil sie der Chef wie Dreck behandelt oder Junkies, denen man einen Euro gibt und die man eine Stunde später beim Heroinspritzen auf der Apothekentreppe sieht. Und auch das ist eine wahre Geschichte: Als ich bei einer Onlineagentur mit einem namhaften deutschen Verlag zu tun hatte, mit dessen technischer Abteilung zusammen wir eine große Umfrage auf mehreren Webseiten des Verlages vorbereiteten, geschah es, dass eines schlimmen Freitages niemand von der technischen Abteilung erreichbar war. Wir waren sauer, saßen auf glühenden Kohlen, weil die Frist zur technischen Umsetzung schon abgelaufen war. Die Schuld an der Verzögerung würde man garantiert auf uns abladen. Wir erreichten den ganzen Nachmittag niemanden, auch am darauf folgenden Montag nicht. Am Dienstag bekamen wir eine Mail, es hätte auf Seiten des Verlages bestimmte Umstrukturierungen gegeben, unsere Ansprechpartner hätten gewechselt, man würde uns in ein paar Tagen Näheres mitteilen. Mein Chef rief eine ehemalige Kommilitonin an, die inzwischen bei dem Verlag angeheuert hatte. Sie erzählte, was wirklich abgelaufen war: Vor einem halben Jahr war die technische Abteilung umgewandelt worden. In eine selbständige GmbH. Die Mitarbeiter bekamen neue Verträge, die Belegschaft gehörte nun nicht mehr dem Betriebsrat des Verlages an. Die GmbH bekam die Vorgabe, ab jetzt gewinnorientiert zu arbeiten und natürlich gab es anfangs Schwierigkeiten mit dieser Vorgabe. An eben jenem Freitag dann, als die Mitarbeiter aus der Mittagspause zurückkamen, lag auf jeder Tastatur ein Briefumschlag mit der fristlosen Kündigung aus betrieblichen Gründen. Die GmbH wurde wegen fehlender Rentabilität abgewickelt. Ab 13:00 Uhr waren die Büros verlassen. Dort, wo wir sonst auch freitags bis 19:00 Uhr immer noch jemanden erreicht hatten, wo wir noch am Vormittag mit den Leuten telefoniert hatten, ging jetzt nicht mal ein Band ans Telefon. Wir waren auf das Geld aus dem Projekt dringend angewiesen und waren froh, dass eine Woche später neue (wenn auch inkompetente) Ansprechpartner zur Verfügung standen, mit denen wir die Umfrage fertig stellten. Und alles ohne Dialekt und Gyros. ... Comment
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