Dienstag, 19. Oktober 2004
Der Zerstörer
ChrisTel
17:38Uhr | tag: Fingeruebungen
„Ich krich noch nen Usenmatsch, aber diesmal bitte lauwarm“. Ohne zu zögern warf er den leeren Krug auf den Boden, wo er äußerst filmtauglich in viele Einzelteile zerschellte. „Den schreib ich dir mit aufn Deckel.“, raunzte ihn der Wirt an. „Mach doch, du Wichser!“. Hebät Kötter war hier seit über 40 Jahren Stammgast, das übliche Prozedere zwischen ihm und dem Wirt hatte sich genauso eingespielt wie das Angrapschen der meinst jungen Bedienungen und anschließende Wichsen in die dreckige Kloschüssel. Früher konnte er manchmal sogar eins der jungen Biester mit nach Hause nehmen, da war er noch jung und früh, rasierte sich täglich, hatte ein schnittiges Sport-Coupe und eine eigene Wohnung. In den „guten alten Zeiten“ konnte er auch 30 Kannen Usenmatsch kippen, danach nen Beschleunigungsrennen und 500 Tacken gewinnen, um am nächsten Morgen neben der Blonden aus dem Verkauf bei Lockenprügels aufzuwachen. Wie sich die Zeiten geändert hatten. Die 30 Kannen Usenmatsch waren zu ner regelsmäßigen Institution geworden, die seinen Tagesablauf durchaus mit beeinflussten, seinen Führerschein hatte er seit 15 Jahren und der Sache mit der Kindergruppe und der Ponykutsche nicht mehr gesehen und aus den blonden Schönheiten waren mittlerweile graue Omis geworden. „Hier, lauwarm, wie gewünscht.“, mit übermäßiger Freundlichkeit stellte ihm Gerd einen neuen Krug vor die Reste seiner Nase. „Und wie sieht's aus bei dir, Hebät? Alles im Lot? Biste mal wieder den Hüpfern aufm Arsch am Glotzen?“. Auch diese Kommunikation war eingespielt und ohne Überraschungen. „Halt die Fesse, sonst schlach ich se dir ein, Arschloch!“. Wenn es mal Ärsche gegeben hätte, stattdessen bekam er einen Hustenanfall, der der mit dem Ausspucken eines großen, rot-gelben Brocken auf das Seidenjacket seines Nachbarn an der Theke endete. Dieser Pfiffi bemerkte die Provokation nicht einmal, sondern blubberte weiterhin irgendwas von Aktienpaketen in Asien, Riesengewinnen und man müsse jetzt investieren, sonst sei der Zug abgefahren. Wem genau er diese finanziellen Ratschläge gab, blieb ungewiss. Hebät fummelte in der Tasche seiner Hose herum, um Kippen aufzutreiben. Vergeblich, aber vielleicht hatte das Seidenjacket welche am Start. „Hey, du alter Baschacke, gib mich ma ne Kippe, sonst klopp ich dir wat am Kopp!“ Sein Tonfall schien zu beeindrucken und 10 Sekunden später trafen die ersten Nikotinteilchen auf das, was früher einem Gehirn verdächtig nahe gekommen war. Abhusten, Ausspucken, Abtrinken. Besser wär, schleunigst ab ins Wohnheim zu gehen, aber diese Gedanken konnte er nur fassen, weil sein Alkoholspiegel für diese Uhrzeit viel zu gering war. Die Erkenntnis musste in Taten umgesetzt werden, ran an die Jolle und dann runter damit in einem Zug. Rülpsen oder Kotzen, war jetzt die Frage. Beim „e“ von Frage begann sein Magen bereits mit dem unwiderstehlichen Pumpen und so verschwanden die Rotzflecken an Pfiffis Seide sobald in einem Bad aus Blutwurst, Usenmatsch und anderen Tierausscheidungen. „Investieren, in Asien, da is alles am Boomen, da wächst die Wirtschaft jedes Jahr um mehr als zehn Prozent. 100 % Gewinngarantie kann ich natürlich nich geben, aber wer kann das schon, aber du kannst mir vertrauen. Wenn du mir 10000 Tacken gibst, kriste in 2 Monaten 20000 zurück, ehrlich. Sachmal? Is am Durchregnen hier, mein Rücken ist ganz nass.“. „Wie, nass? Lass ma sehen? Ne, dass gibst, doch gar nicht, da hat dir ne Taube hingeschissen, was sag ich eine, hunderte! Aber scheißegal, lass uns lieber nen Schnaps trinken. Äh, Ferkel, bring ma guste 2 Pullen Schluck für mich und meinen neuen Kumpel hier rüber.“ Mit seinen Händen versuchte der Seidenmann derweil ungeschickt das Unheil zu entfernen, beschränkte sich aber, nüchtern betrachtet, auf ein gleichmäßiges Einmassieren der Suppe in seinen teuren Fummel. Wenn es einen verdammt Guten Zeitpunkt für einen strategischen und lebensbejahenden Rückzug gegeben hätte, wäre es dieser gewesen, aber so unverbesserlich sind nur alte Haudegen mit dem Hang zum dramatischen Finale. Nach weiteren 4-5 Usenmätchen und mindestens einer Flasche Weizenkorn, setzen Häbet der Nebel des Krieges und seine kriegsversehrte Blase immer mehr zu, so dass ich sich schließlich mehr oder weniger bewußt entschied, vom Hocker zu fallen und sich den Hinterkopf auf dem Steinboden aufzuschlagen. Vermutlich hat er, trotz des Blutverlustes und der schweren Alkoholvergiftung den Abend überlebt, aber die Gewinne aus Asien, werden andere einstreichen. ... Comment
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