Das Licht am Anfang des Tunnels
Kailoi
19:54Uhr | tag: Fingeruebungen
Müdigkeit erfüllte sie. Manuela lag auf dem Teppich, Arme und Beine von sich gestreckt wie die Karikatur einer Leiche. Es war eine kaum anerkannte Art von Müdigkeit die nichts gemein hatte mit der Müdigkeit nach einem arbeitsamen Werktag, der Müdigkeit nach einem erfrischenden, langen Waldspaziergang oder jener Form, die einen im Fall einer Erkältung heimsucht. Sie hatte erst am späten Vormittag das Bett verlassen, danach nichts fleißiges begonnen und quälte sich schließlich mit dem Gedanken, dass ein ganzer Tag verlorenging ohne dass irgenetwas erwähnenswertes stattgefunden hatte. Als dieser Gedanke bis zur Unerträglichkeit ausgespielt war begann sie, ihre Regale auszuräumen und sie anschließend zu demontieren. ... Link (3 Kommentare) ... Comment
Billiges Wortspiel
Kailoi
00:12Uhr | tag: Fingeruebungen
Die vergilbte Plastikuhr in seinem Arbeitszimmer zögert. Unnatürlich lang verharrt sie auf dreiundzwanzig dreizehn als Singer beschließt, einige Buchstabentasten zu kombinieren. Zwei Finger rasen intuitiv gesteuert über das Schlüsselbrett, was nach wie vor wie eine Mangelerscheinung anmutet. Er fühlt sich wie eines dieser Wassertiere im Zoo, deren Pfleger Vitamintabletten in die ausgelaugten Fischkadaver pressen, damit ihre Schützlinge ein schönes, glänzendes Fell behalten und nicht bewegungslos und röchelnd in einer Ecke ihres Geheges verenden. Der Mangel ist Singers oberstes Prinzip, dass er durch Maßlosigkeit auszugleichen versucht. ... Link (1 Kommentar) ... Comment
Exposé
Kailoi
22:25Uhr | tag: Fingeruebungen
Also, das könnte man für eine Geschichte verwenden, so für ein Buch, ja? Man könnte aber auch problemlos einen Film draus machen. Die zentrale Idee ist, dass die Geschichte wie ein Schachspiel aufgebaut ist. Die weißen Figuren sind natürlich die Guten, die schwarzen - klar, die bösen Jungs. Die Sache spielt in einem südosteuropäischen Armenviertel, wo ein afrikanischer Arzt den Leuten hilft. Der ist ein netter Kerl - charismatisch, charmant und so. Sein Gegenspieler ist der Anführer der lokalen Kriminellenorganisation. Die beiden geraten aneinander, als der Arzt vom Anführer entführt wird, weil dessen Vadder krank ist. Natürlich hilft der Arzt dem alten Mann. Aber als der Chef ihn bezahlen will, weist er das schmutzige Geld zurück. Der Kriminelle fühlt sich in seiner Ehre gekränkt. Ein moralischer Kampf entbrennt. Gut gegen Böse, das alte Spiel. Der Gangster will dem Arzt zeigen, wer das Sagen hat und der Arzt will widerum dem anderen zeigen, dass die ganze Gesetzlosigkeit nix bringt. Aber die Geschichte bietet mehr. Der Böse ist zum Beispiel nicht einfach böse. Man erfährt im Laufe der Geschichte, wie er zu dem wurde, was er ist. Auch das Ende wird total spannend. Ähm, wirkt das ein bisschen zu konstruiert? Man könnte so einen Kunstfilm draus machen - schwarz weiß, natürlich! Hey, die Idee hatte ich gerade in dieser Sekunde. Das ist doch ein witziges Detail. Alles schwarz und weiß und mit lauter symbolischen Hinweise auf das Schachspiel. Der Film beginnt mit zwei alten Männern, die sich zu Schachspiel treffen. Nein noch besser: ein Enkel kommt zu sein Oppa, um Schachspielen zu lernen und der bringt ihm das Spiel bei und erklärt ihm dabei das Leben. Ist das zu pathetisch? Also ich werd das mal an ein paar Filmfabriken senden. Ob die damit was anfangen können. Das heißt, die könn´ das ja aus dem Blog rauskopieren und den Film dann einfach machen. Und bevor denen ihr schlechtes Gewissen sie zerfrisst, könnse mir ein paar von den eingespielten Millionen überweisen. ... Link (1 Kommentar) ... Comment
Palmenkatzen
Kailoi
12:46Uhr | tag: Fingeruebungen
"Er hat keinen Verstand. Er ist wie ein Affe und ein Krebs", sagte Tungwa. Sein Nachbar Bebwe, der das Schauspiel vom Eingang seiner Hütte aus beobachtet hatte, schnaubte zustimmend. "Er ist keiner von uns. Es war ein Fehler, ihn hier aufzunehmen", setzte Tungwa fort, "als er hier ankam, hätten wir ihn fortjagen sollen ... oder töten". Bebwe brummte vieldeutig. Man konnte nicht sagen, was er davon hielt. "Jetzt bestrafen uns die Götter für diese Dummheit. Es ist noch nicht zu spät, Bebwe, es ist noch nicht zu spät". Bebwe nahm eine Wurzel aus seinem Korb schnitt beiläufig ein großes Stück davon ab und begann, daran zu kauen. "Wichtig ist nur, dass wir zusammenhalten. Die Ehre unserer Ahnen steht auf dem Spiel!" Tungwa war aufgesprungen. Er schlug heftig gegen seine Brust, während er sprach. "Du kennst mich, Bebwe. Ich bin wie ein Panther. Wer mich reizt, der wird schon bald seine Ahnen treffen". Bebwe seufzte. Er reichte Tungwa ein Stück Wurzel und der begann ebenfalls zu kauen. Das Feuer vor ihnen knackte laut, im Wald hinter ihnen knackte es ebenfalls. ... Link (0 Kommentare) ... Comment
Neu See Land
Kailoi
12:11Uhr | tag: Fingeruebungen
Der joghurtsaure Geruch der Morgenluft trifft auf mein mittagsmüdes Sonntagserwachen. Ich weiß nicht, woher ich den Optimismus nehme. Neuerdings habe ich ihn wohl abonniert. Warum auch sollte man in Panik oder Schwermut verfallen? Das kann man auch noch machen, wenn es an der Zeit ist. Ich drehe mich im Bett auf die Seite, die Glieder sind angenehm schwer, das Kissen ist durch nächtliche Zerknautschung nicht mehr zu gebrauchen. Nach unzähligen, ehrgeizigen Versuchen ein anderer Mensch zu werden, stelle ich fest, dass es mir endlich gelungen ist. Nein, vielmehr ist dies nicht das Ergebnis einer bewussten Anstrengung. Es ist einfach passiert. Nicht einfach, nein, so einfach auch nicht. Ein Vogel singt in die Mittagsstille ein fröhliches und trauriges Lied hinein. Neben mir Bewegung in den Kissen. ... Link (2 Kommentare) ... Comment
Die Vernunft schmeckt nur den Vernünftigen
Kailoi
11:59Uhr | tag: Fingeruebungen
"Was hast Du denn?" "Am Anfang, als das alles noch in weiter Ferne lag, erschien es ganz einfach. Jetzt, wo wir die Berge erreicht haben und wir die Wolken sehen, die auf die felsigen Wände prallen ... wenn, so denke ich mir, selbst die Wolken, die ja sonst so frei und unbeschwert über den Himmel ziehen, an diesem Punkt nicht weiter kommen ...", das große Monster verharrte. Seinen Gedanken gelang es nicht mehr, aus ihm hinauszukommen. Sie strömten zurück in sein Inneres und wirbelten in einem großen Kreis umher. Der kleine Hase saß vor ihm, rätselnd, warum er nun plötzlich so schweigsam geworden war. Auch der große Vogel, der auf sie wartete und ungeduldig mit den Federn raschelte, verstand nicht, warum es nicht weiterging. "Es geht doch nur einmal um die Welt", krächzte er mit seiner kühlen Riesenvogelstimme, der es nie gelang, verständnisvoll zu klingen, "es geht ganz schnell, weil wir gegen die Zeit reisen werden". Unschlüssig, was es darauf noch zu erwidern gäbe, kletterte das große Monster auf den Rücken des Vogels, den kleinen Hasen auf der Schulter. ... Link (2 Kommentare) ... Comment
rückwärts zählen
Kailoi
20:42Uhr | tag: Fingeruebungen
"erzähl mir etwas neues", sagte der goldfisch. er saß in seinem glas mit stoischer gelassenheit und erfüllt von der gewissheit, dass alles, was man ihm erzählen würde, einen neuigkeitswert hätte. "ich spüre meine adern", sagte die dicke frau, die in einem sessel saß und gebäck für diabetiker verspeiste. "weißt du", antwortete da der fisch, "ich spüre das große glas, das mich umgibt. ich fühle seine begrenzung, die das wasser berührt, welches mich umgibt". "und ist das ein schönes gefühl?", fragte da die dicke frau, die aus langeweile im schrank nach tabletten suchte. "es ist ein gefühl", erwiderte der fisch, "nicht mehr und nicht weniger". ... Link (4 Kommentare) ... Comment
Entdeckung des Rades
Kailoi
20:47Uhr | tag: Fingeruebungen
Jonny gewöhnte sich langsam an die Idee, unterwegs zu sein. Der heutige Tag war dabei nur ein lascher Vorgeschmack auf die Zukunft. Mehr als nur ein paar Mal in die Bahn einzusteigen, sich kurz irgendwo aufhalten um ein paar Dinge zu erledigen und zurück würde es schon sein. Nein, es wäre dasselbe, nur mindestens mit dem Faktor Eintausend multipliziert. Zeit lief ihm davon - wichtige Zeit. Doch hier und da eröffnete sich ihm ein Blick auf Ereignisse, die ihn bald erwarteten. Viel zu lange war alles nach Jonnys langsamen Plänen gelaufen. Plänen, in denen eines auf das andere folgte und in denen, wenn etwas schief ging, keine ernsthaften Konsequenzen folgten. Es war an der Zeit, die Komplexität jeder Sekunde auszureizen, sich komprimierten, sich überkreuzenden und in unterschiedlichen Wahrscheinlichkeitsräumen befindlichen Ereignissen zu widmen. Jonny hatte ein Huhn gekauft. Das würde er zum Abendessen kochen und mit rohem Staudensellerie, frischem Ingwer und Knoblauch servieren. Die Frau war heute Abend schlecht gelaunt, aber das war eine Sache, mit der er gut umzugehen gelernt hatte. ... Link (0 Kommentare) ... Comment
Nichts war vollendet
Kailoi
21:37Uhr | tag: Fingeruebungen
So schwach fühlte Leo sich aufgrund der Beanspruchung seines Körpers durch eine nicht ausbrechen wollende, aber seit Tagen lauernde Erkrankung seiner Atemwege. Schöne Dinge fielen ihm ein, höhnische Ideen, die ihm immer nur dann in den Sinn zu kommen schienen, wenn er nicht in der Lage war, sie umzusetzen. Er starrte auf ein winziges Insekt, das über den Einband eines der auf dem Boden aufgestapelten Bücher krabbelte, als er wenigstens etwas lesen wollte. Er wollte den Impuls unterdrücken, es zu zerquetschen, schaffte es nicht. Noch während er den Finger fortzog und die dünne, gelbliche Schliere, welche die Körpersäfte des mikroskopisch kleinen Organismus hinterlassen hatte, sah, bereute er diese Handlung zutiefst. Nur in der Zerstörung war er wirklich gut, dachte er, seiner eigenen, der anderer Leute, Lebewesen, Gegenstände. Den Traum, etwas Vollständiges zu erschaffen, etwas Lebendiges, dafür fehlte ihm die Energie. Ja, es bedarf einer Menge Energie, um es mit dem kosmischen Durcheinander aufzunehmen, mit dem alles auseinanderstrebt, verrostet, zerfällt, zu Unsinn erklärt wird. Fauchend löste sich die Brausetablette auf, versprach zwar keine Heilung, aber Linderung. Und die Hoffnung, das war ja nicht geheim, die stirbt immernoch zuletzt. ... Link (8 Kommentare) ... Comment
Gelogene Zukunft
Kailoi
21:53Uhr | tag: Fingeruebungen
Am Bahnhof nehme ich noch einen kleinen Imbiss zu mir, bevor ich mich auf den Weg nach Hause mache, den Rucksack voller Vitamine. Ich denke über eine Definition des Wortes Schnösel nach, dieses schönen Wortes, dass es bald vielleicht schon nicht mehr gibt. Mir gelingt es zufriedenstellend, seine Bedeutung zu umschreiben, dann drehe ich die Worte und betrachte sie von allen Seiten, bis die Straßenbahn mein Ziel erreicht. Wieder einmal bricht eine neue Zeit an, eine altbekannte neue Zeit, der endlose Versuch eines Anfangs, der auf ein glückliches Ende hoffen lässt. Ich denke wieder in geschriebenen Sätzen. Eine Frau in der Straßenbahn sieht aus wie ein alter, freundlicher Igelmensch. Vor sich eine Einkaufstasche, in der knorrige Zweige stecken. Sie wird sie wohl in eine Vase dekorieren. Trotzdem denke ich für ein Winterschlafnest bist Du zu spät, alte Igelfrau. ... Link (0 Kommentare) ... Comment |
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