Stichwort: Fingeruebungen
Die Kunst des langfristigen Überlebens

Ein Fest. Ich wollte eine Kleinigkeit zu essen mitbringen, wie man es aus Filmen kennt. Etwas einfaches würde ich schon hinbekommen, auch ohne Rezept. Es musste nicht schmecken, nur gut aussehen. Ich sah nach, welche meiner Konserven verwertet werden mussten. Die Besessenheit, unkontrolliert Konserven nach Kategorien einzukaufen (Obst, Fisch, Hülsenfrüchte, usw.) bescherte mir eine Auswahl, mit der man einen Atomkrieg überdauern konnte. Ich erfand eine dekorative Erbsenpaste, die ich auf Cracker auftrug und mit Sardellenfilets dekorierte. Den Abschluß bildeten Cocktailkirschen.

"Deine Dialoge wirken holprig und unnatürlich. Deine Charaktere haben kein Aussehen, keine Hintergrundgeschichte und kein Ziel. Sie irren herum und machen scheinbar bedeutungsvolle Dinge, ohne irgendwo anzukommen oder etwas zu erreichen."

Diese Predigt hatte sich in meinen aktuellen Gedankengängen verfestigt. Wenn mir nicht etwas Grundlegendes bewusst geworden wäre, hätte sie sicherlich schlechtere Laune erzeugt: wir waren eine symbiotische Beziehung eingegangen. Sie konnte nicht mehr ohne mein Versuchen leben, etwas zu schreiben, das ihren Gefallen fand. Und ich konnte nicht mehr schreiben, ohne dieses Ziel vor Augen zu haben. Schicksalhaft, bezaubernd - ich wusste nicht, wie ich es finden sollte.

"Wenn Du das Märchen von Hänsel und Gretel geschrieben hättest, hätten sie sich in einem sehr detailreich beschriebenen Wald verirrt, wären aber niemals an einem Haus angekommen. Sie hätten sich höchstens darüber unterhalten, dass es irgendwie nach Lebkuchen riecht."

Annegrets Wohnung bestand fast ausschließlich aus leeren, weißen Räumen. Seit ich sie kenne, weiß ich, dass Minimalismus auch ein Lebensstil sein kann. Ein Tisch mit Stühlen, ein Sessel neben einem kleinen Tischchen auf dem immer, wenn ich hier war, ein anderes Buch lag. Es gab noch eine kleine Kommode. Ich habe mich aber nie getraut, sie zu öffnen. Einige Räume waren tabu und stets verschlossen und ich bezweifle nicht, dass Grete diesen Zustand mit ihrem Leben verteidigen würde. So beruhigte ich mich jedes Mal mit dem Gedanken, dass sie all jenen Plunder und Kram, den Menschen zwangsläufig ansammeln und von dem sie sich nicht trennen können hinter diesen Türen aufgetürmt hatte.

Die anderen eingeladenen Gäste waren mir ohne Ausnahme unsympathisch. Nicht einmal ein oberflächliches Gespräch waren sie mir wert und so verfolgte ich Grete mit Blicken und schaute, was sie so tat und mit wem sie sich worüber unterhielt. Später erlangte ich dann zweifelhaften Ruhm, als einer der Schwachmaten von den mitgebrachten Häppchen aß.

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Redundanz

Wir trafen uns in einer Autobahnraststätte, die ich mit meinem Fahrrad erreichen konnte. Ich mochte diesen Ort. Ich mochte den Gedanken, dass man Annegret und mich für ein Paar auf der Reise (oder der Flucht) zu einer anderen Stadt halten konnte. Wir hatten Kaffee bestellt und Grete außerdem ein qudratisches Stück Obstkuchen. Ich wusste, dass sie es nicht anrühren würde. Meiner Einschätzung nach gibt es nur wenige Menschen auf dieser Welt, die Speisen bestellen, um damit den Tisch vor sich zu dekorieren.

Annegret las die Seiten, die ich ihr überreicht hatte mit einem unbestimmbaren Gesichtsausdruck. Abwesend zündete sie sich eine Zigarette an und ich unterdrückte den Impuls, sie anzuschnorren. Sie tippte auf das Päckchen Zigaretten und sagte "nimm ruhig". Allerdings klang das eher wie eine Drohung und ich hielt mich zurück.

Wir saßen am Fenster zum Parkplatz. Ein Mann verschwand hastig zwischen den Büschen. Ich langweilte mich und beschloss, meine Rolle als Flüchtling zu bestärken, indem ich die Leute um mich herum musterte als wolle ich prüfen, ob sich hinter einer dieser Visagen ein getarnter Bulle verbarg. Meine Bemühungen wurden so gut wie garnicht wahrgenommen. Nur ein Brummifahrer ließ für einen Moment von seinem unglaublichen Fleischteller ab und hielt meinen Blick fest. Einige übermüdete Kinder zwei Tische weiter probten den Aufstand und nahmen mit ihrem Geschrei das gesamte Lokal in Beschlag. Da halfen auch keine Pflanzkastenraumteiler mitsamt unnatürlich grünen und mit schmierigem Staub bedeckten Plastikpflanzen. Der geschäftige Frieden der Raststätte war zerstört.

Ich hatte nicht bemerkt, dass Grete fertig war mit lesen. Sie musterte mich. Ich vermutete, sie suchte nach einem Weg ihre Begeisterung in die übliche Kritik zu verwandeln. Ich wartete. Sie rauchte. Der Mann kam aus dem Gebüsch zurück.

"Ich frage mich, was in Deinem Kopf vorgeht" warf sie dann in einem weder feindseligen, noch freundlichen Ton in den Raum zwischen unseren Kaffeetassen. "Ich habe gerade überlegt ... wenn jetzt ein LKW ungebremst - wegen eines Defekts an den Bremsen - in diese Raststätte rasen würde ... der würde von der anderen Seite kommen, wo die Einfahrt ist. Würde der uns hier noch erwischen? was meinst Du?"

Damit hatte ich den Nachmittag ruiniert. Dabei hatte ich es irgendwie für witzig gehalten.

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Du bist Rotkäppchen

... ist mir gerade eingefallen, dass ich ja versprochen hatte, noch ein Bild zu zeigen. Da habe ich es schnell eingescannt. Dieses Mal habe ich mir die Mühe gemacht, es in Farbe zu scannen; damit ihr seht, dass ich keine preiswerte schwarze Chinatusche verwende, sondern ROHRER&KLINGENER im Farbton Bister. Jetzt wisst ihr es. Obwohl es durch die jpeg-Kompression sowieso ein einziger Matsch ist. Es ist ein rötliches dunkelbraun.

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Nein, es ist nicht falschrum ...

Ein weiterer Auszug aus meinem selbstgebundenen Skizzenbuch, damit ihr nicht denkt, es sei ein reiner Spielplatz für erotische Fantasien. Dieses hier ist also - sagen wir mal - von bedrückender Ausstrahlung.

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Zeichne doch mal was anderes...

... sagte eine innere Stimme zu mir. Darum habe ich jetzt mal etwas anderes gemacht. Es ist Kunst. Aber es hat auch etwas mit Titten zu tun. Das fehlte meiner Meinung nach in letzter Zeit. Wir sind viel zu seriös geworden...

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Wieder mehr kritzeln

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Hansen und Klafkyn

Klafkyn betrachtete ein Bild, das ihm sein siebenjähriger Sohn gemalt hatte. Es war die kindliche Version eines Dienstausweises. Darauf stand in wackeligen Buchstaben das Wort MORTKOMISJON. Die Tür sprang auf - Hansen.

"Ich weiß nicht, ich weiß nicht. Ich glaube, ich habe überhaupt keine Ahnung, was in so einer Behörde wie der unseren überhaupt so läuft."

Klafkyn wandte seinen Blick von der Kinderzeichnung ab.

"Was redest Du denn da wieder für´n Blech, Paul? Hat Deine Frau Psychologin Dir wieder im Kopf herumgefuhrwerkt?"

Paul Hansen registrierte offenbar jetzt erst die Anwesenheit seines Kollegen und brachte aufrichtige Überraschung zum Ausdruck.

"Äh was? Ach meine ... Freundin? Die ist weg", Klafkyn wollte schon zu Mitleidsbekundungen ansetzen, doch Hansen hielt ihn davon ab, "nee Du, is nicht schlimm. Die kommt wieder. Die hat einmal im Vierteljahr so Attacken und schwafelt dann so Ich-muss-mich-selbst-finden-Zeug. Du, ich glaube, wenn sie sich tatsächlich mal entdecken sollte, würde sie sich ganz fürchterlich erschrecken." "Tja Du, wer würde das nicht." "Is´ der Kaffee schon fertig?" "Ja, ziemlich."

Hansen seufzte. Er wirkte verloren. Man wusste nie, wo er gerade mit seinen Gedanken war und Klafkyn vermutete, dass selbst Hansen das nicht so genau wusste. Aber Hansen war einer ihrer besten Männer. Er brauchte halt nur jemanden, der sich die Mühe machte, ihm zuzuhören. Diesen Job machte Klafkyn nun seit etwa sechs Jahren. Es gab sicherlich bessere Jobs, aber auch schlimmere.

"Lass uns mal n bisschen rumfahren. Unsere Mörder melden sich ja doch nicht freiwillig."

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Fortschrittsglaube - ein Fragment

In der Straßenbahn riecht es aufdringlich nach eitrigem Zahn. Ein sonniger Vormittag. Ich werde am Mittag draußen sein und meine blasse Haut in die Sonne halten. Das gehört zum Plan. Ich bin nicht mehr besorgt, dass die Strahlung meine Haut vorzeitig altern lässt. Ich habe auch keine Angst mehr, dass jemand an meiner unästhetischen Körperform Anstoß nehmen könnte. Der Plan ist, kurzfristiger zu denken, direkter am tatsächlichen Geschehen, in Maßstäben die sich innerhalb eines überschaubaren Zeitrahmens umsetzen lassen und deren Erfolg oder Scheitern ersichtlich werden kann. Die Zukunft, dieses helle und hoffnungsüberlastete Trugbild, werde ich mir abgewöhnen.

Ich zwinge mich, mir die Leute anzusehen. Menschen. Andere. Wenige. Die Straßenbahn nimmt Fahrt auf. Ich schaue wieder aus dem Fenster.

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Die Katze saß heute Mittag unter der Wolldecke, die immer über dem Sofa liegt, weil das schon so verbraucht aussieht. Voll krank, das Tier. Bei der Hitze unter ner dicken Decke abzuliegen. Die hat doch noch ein Fell an sich zu hängen. Dass der das nicht zu warm is. Lag da jedenfalls wie sone Ausbeulung und rührte sich nicht. Ich drück dann immer da drauf, ob die überhaupt noch existent am Leben teilnimmt. Dann macht es meistens leise bwwuuuht? und ich weiß Bescheid.

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Kailois erdachte Reisen

Im Südwesten Italiens gibt es ein besonderes, kleines Restaurant. Ich weiß natürlich nicht, ob es noch existiert, wenn Sie diese Anekdote lesen. Und wenn es nicht mehr dort wäre, dann hätte der Globus sicherlich eine seiner wundervollsten Attraktionen eingebüßt. Es ist die Gaststätte von Mama Carlotta, wo ich auch Lorenzo Fisher kennenlernte. Aber von ihm erzähle ich ein anderes Mal.

Mama Carlotta ist dafür bekannt, jedem Gast an der Nasenspitze anzusehen, was dieser zu speisen oder zu trinken wünscht. Und tatsächlich bringen sich nur Besucher aus weiterer Ferne in die Verlegenheit, sich nach einer Speisekarte zu erkundigen.

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Online seit 8001 Tagen.
Das sind über zwanzig Euro!
by Kailoi (23.07.24, 11:02)
Und Kaloi hat die
Bilder dazu gemalt 😺
by Albtraumjaeger (06.12.21, 14:08)

Matze macht Märchen https://beffana.net/blog/2021/12/01/beffana-2021-staffel-6-folge-1-der-rattenkoenig/
by Kailoi (03.12.21, 14:00)
Die Tage werden wieder kürzer.
Vielleicht sollten wir unsere Schreibtische verlassen und zwischen den...
by Kailoi (29.09.21, 20:20)
fun fact
by Kailoi (12.07.21, 12:16)
Online seit...
by ChrisTel (18.06.21, 22:49)
danke. hat mich gefreut!
:)
by Anonymus (23.06.20, 15:30)
von mir auch allet
jute!
by kraehenpost (18.06.20, 10:58)
Online seit...
by ChrisTel (18.06.20, 09:02)
Online
by Anonymus (13.06.20, 12:10)
#thismorningwalk
by Anonymus (13.06.20, 12:08)
Uuuuund... noch'n Podcast hier: https://im-moor.net
(kann man ruhig hören. ist seehehr gut))
by Albtraumjaeger (13.04.20, 18:12)
Weihnachtshexe Beffaná FYI Ich hab
einige Songs meiner diesjährigen 24-teiligen-Podcast-Serie über die Weihnachtshexe Beffaná in...
by Albtraumjaeger (07.01.20, 17:41)
Habs mir gerade angehört.
Cooler Text. Frohes Neues!
by Albtraumjaeger (02.01.20, 09:39)
Brückengeländer
by Anonymus (31.12.19, 13:27)
:)
by Anonymus (31.12.19, 13:24)
Farbe ist meine Welt
by ChrisTel (23.12.19, 00:13)
Respekt Was sind das für
Wesen, die von hinter ihrem Zaun aus 2 Zentimeter Entfernung...
by marraine (11.12.19, 14:08)
👍🤗
by Albtraumjaeger (06.12.19, 14:58)
Update 6.12 Ich habe
mich entschlossen, den ganzen Kram einfach wieder in Ordnung zu...
by marraine (06.12.19, 14:47)
Ach du fuck! Ichhab gestern
Abend aus einer Laune heraus Lotto gespielt. Wenn ich...
by Albtraumjaeger (06.12.19, 07:50)
Advent, Advent Ich versuche ja
geduldig zu sein, Erwachsen und einsichtig, ruhig und gelassen, die...
by marraine (06.12.19, 01:47)
Jean-Luca
by ChrisTel (28.11.19, 14:02)
Vielleicht tröstet dich neben diesem
"Ich werde alt"-Gefühl auch die Einsicht, dass die Schwelle...
by Kailoi (01.10.19, 12:29)
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