Kailoi
16:23Uhr | tag: Fingeruebungen
Oh, wie ernst ist die Situation. Ein Freund des Chaotischen und des Grotesken, ein überzeugter Anarchist - doch mit der Betonung der richtigen Bedeutung, denn Anarchismus hat nichts, wie heutzutage immer wieder angenommen, mit Gewalt und Zerstörung zu tun und jeder, der dies behauptet, solle sich erst einmal schlau machen, bevor er schlau daherredet - will ich und kann nicht mein Leid klagen. Ich fühle mich dumm und missverstanden, ausgeschlossen und eingesperrt. Nicht zuletzt, weil ich es wirklich bin. Von mancher Seite wird mir - übrigens jedes Mal von Neuem überraschend und unverständlich für mich - eine gewisse Intelligenz nachgesagt. Ich schreibe das dem Umstand zu, dass ich es gelernt habe, mich unverständlich auszudrücken und mir in Dingen, wo mein bescheidenes Wissen mir nicht weiterhilft, nichtsdestotrotz ein wissendes Lächeln mit mir zu tragen. Konformität missfällt mir sehr und ich kann dies wohl Begründen. Es ist das gedankenlose, das unhinterfragte Folgen hinter allen anderen. Wie oft erlebt man, dass eine Schar von Menschen vor einer Tür steht, jeder einzelne annehmend, dass sie verschlossen ist und nur ein einziger wagt, die Türklinke zu drücken um die Tür zu öffnen. Wieviel Leid wurde verursacht, wieviel vergebliche Mühen aufgewendet und gar Leben vernichtet mit der fadenscheinigen Begründung, dass alle anderen es gleich tun. Und die Antwort auf die altbekannte Frage Wenn alle in den Brunnen springen, würdest auch Du es tun? Sie lautet wohl: Ohne zu zögern. Ich möchte nicht leugnen, dass das Zusammenwirken Vieler in der Vergangenheit große Dinge bewirkt hat. Es ist auch nicht die Zusammenarbeit, das Gemeinsame, das ich beklage. Wo wären wir, frage ich, wenn alle Menschen nur die Tätigkeiten ausführen würden, über deren Konsequenz und Nutzen sie sich wenigstens für eine Minute Gedanken machen würden? In Höhlen, oder in Utopia? Der Schmied fertigt das Schwert und verkauft es dem Händler, der Händler verkauft es mit Gewinn an einen Soldaten, der Soldat folgt dem Befehl des Königs und tötet andere Soldaten, vielleicht Frauen und Kinder. Jeder von Ihnen wird behaupten, dass er nur das getan hat, was von ihm erwartet wurde. Natürlich leben wir nicht mehr in Zeiten der Schwerter und auch Könige gibt es nicht mehr viele. Die Produktionsketten sind länger geworden, die Einflüsse und Machtverhältnisse komplexer. Alfred zog den Papierbogen aus der Schreibmaschine und las, was er geschrieben hatte. Dann ging er in den Keller. ... Link (9 Kommentare) ... Comment
Smyrnas lange Reise
Kailoi
19:12Uhr | tag: Fingeruebungen
1 In einem Wald, an einem See, an einem Septembermorgen Lichtstrahlen sammelten sich in einem Wald, an einem See, an einem Septembermorgen und tanzten über das Wasser. Dieser zauberhafte Augenblick wurde doch sogleich von einem lauten Knall zerissen, als ein alter, morscher Eichenbaum zu Boden stürzte und zerbarst. Doch niemand war da, der das hätte sehen können, außer einem jungen Reh, dass natürlich fürchterlich erschrak. Und aus den unzähligen Splittern des toten Baumes kroch ein kleines Kerlchen hervor. Es sah aus wie ein Ding zwischen Mensch und Äffchen. Und man sah an seinen wachen Augen und seinem wissenden Lächeln, dass es einiges an Verstand besaß. Es war etwa so groß wie zwei Äpfel, wenn man sie aufeinanderstapelt. Es hatte ein dichtes, schwarzes, glänzendes Fell und riesengroße Ohren. Das Gesicht sah fast wie das eines Menschen aus. Nur die Nase war etwas dünner und länger als gewöhnliche Nasen. Man könnte sagen, es war ein kleiner Rüssel, der auf der Suche nach interessanten Gerüchen ständig hin- und herwackelte. So ein Wesen war in dieser Gegend nie gesehen worden. Und der Grund dafür war, dass der Wicht ein Dattelpalmenzwerglein aus dem Orient war. Diese Wesen kommen erst auf die Welt, wenn der Baum, in dem sie aufwachsen, stirbt. Während dieser Zeit sitzen sie in ihrer Baumhöhle und schlafen oder denken nach. So ist auch zu erklären, dass Dattelpalmenzwerglein die klügsten Lebewesen auf der Welt sind. Man hört das zwar zuweilen auch von Menschen, doch ein Dattelpalmenzwerg würde nur vergnügt schmunzeln und dazu nichts weiter sagen. Der Zwerg, der gerade aus dem Holz der Eiche gestiegen war, hieß Smyrna. Und wie er in diesen Eichenbaum kam, und was er für Dinge noch erleben sollte, das ist eine unglaublich spannende Geschichte. ... Link (0 Kommentare) ... Comment
Warum keiner Elke mochte
Kailoi
14:52Uhr | tag: Fingeruebungen
Wie Schafe zogen die Leute durch die Einkaufsstrasse, in der Elke wohnte. Sie saß oft am Fenster in ihrem Schlafzimmer und sah hinunter. Dumme, hirnlose Fleischsäcke. Mal begafften sie den billigen Müll in den Schaufenstern, mal begrabbelten sie die von wunden Kinderhänden zusammengenähten Stofffetzen mit ihren schmutzigen Pfoten. Oder sie fraßen. Sie fraßen eigentlich die ganze Zeit, um ihre deformierten, obszönen Fleischmassen zu grotesken Ballonskulpturen heranzuzüchten. Manchmal warf sie etwas aus dem Fenster, einen verdorbenen Joghurt oder Tomaten. Sie hörte gern ihr verwirrtes, wütendenes Gegacker. Ich hab´s geseh´n, da war eine oben an Fensta! Unmöglich, sowas, sehnse sich das Kleid von meine Frau an. Das wird noch ein Nachspiel haben! Sollten sie doch verrecken. Wahrscheinlich hätten sie sich eh an der nächsten Ecke mit Eiskrem vollgeschmiert. Sie wusste, dass man über sie sprach. Elke war ein Ärgernis, ein Störenfried, wie ein Hundehaufen mitten auf der Einkaufsstrasse. Sollten sie doch kommen, sie würde es ihnen zeigen. ... Link (1 Kommentar) ... Comment
Früh auf
Kailoi
22:06Uhr | tag: Fingeruebungen
Es war ein erfrischend einsamer Morgen. Es war ungewöhnlich früh für einen Sonntag. Um genau zu sein, Fünf Uhr und dreiundvierzig. Sonnenlicht traf auf den feuchten Asphalt der Straße, Dampfschwaden stiegen auf und machten keinen Laut dabei. Ich war nicht früh auf, weil ich etwas vorhatte, im Gegenteil. Ich hatte alle Zeit der Welt. Im Park setzte ich mich auf eine der Bänke. Ich holte einen Plastikbeutel mit Pistazien hervor. Während ich so dasaß und Pistazienschalen öffnete und die giftgrünen Kerne verspeiste, dachte ich darüber nach, wie gerne ich jetzt ein paar Haselnüsse hätte. In der Ferne läutete irgendeine Glocke. Eigentlich blöd, weil die, die zur Kirche gingen, könnten sich die Uhrzeit doch vielleicht mal eingeprägt haben. Die meisten Leute schlafen jetzt noch - oder jetzt erst. Ja Sonne. Und frische Luft. Ein Opa und eine Oma fahren mit dem Rad vorbei, grüßen aber nicht. Die alten Leute heutzutage werden auch immer unfreundlicher. Tststs. ... Link (0 Kommentare) ... Comment
Groschenroman
Kailoi
14:54Uhr | tag: Fingeruebungen
Nichts. Dann, Licht. Irgendwo in den Nebeln da draußen wurde ein Stern geboren. In diesem biblischen Moment brauste ein Sportwagen durch die Nacht. Mit der feurigen Gewalt von zwölf Tigern, die man in einer Kiste eingesperrt hatte, fraß das Fahrzeug Kilometer. Magnus E. Werrner musste zu seiner Frau. Sie hatte eine Entdeckung gemacht. Was genau es war, hatte sie ihm am Telefon nicht sagen wollen. Aber Magnus - oder Maggi, wie seine Frau ihn nannte, wenn sie ihn zu irgendetwas überreden wollte und ihn damit innerlich zum Wahnsinn trieb - wusste, dass seine Frau ihn nicht wegen einer unwichtigen Sache aus Japan hierher bestellt hätte. Nebelbänke schossen vorbei, die Sache war ein bisschen haarig. Allerdings war der Wagen mit allerneuster Technologie ausgestattet. Er war sich sicher, dass kurz, bevor er sich vom einen Moment zum anderen in eine Mischung aus Metallfetzen und totem Fleisch auflösen würde, irgendwo auf dem Armaturenbtrett zumindet irgendein Lämpchen aufleuchten würde. Das war seine einzige Hoffnung: Dass er wenigstens Zeit für ein Seufzen oder einen versöhnlichen Gedanken haben würde. Aus dem Entertainment-System floss ihm eine Prise Jazzmusik zu Ohr. Seine Stimmung wechselte von unheilvoller Sorge zu extravaganter Abenteuerlust. Immerhin würde er sie endlich mal wiedersehen. Seine Mira. Er dachte an das Gedicht, mit dem er - so vermutete er wenigstens - damals ihr Herz gewonnen hatte: Ein Duft von Rosen füllt den Raum / weiße Sanftmut wandelt umströmt von rotem Haar / ein Funken Ewigkeit geht neben ihr Sie hatte gelächelt. Ihr Lächeln konnte Felsen zu Gelee werden lassen. Wenn sie wütend war, konnte es tödlich sein. Er hatte in ihren Lächeln lesen gelernt. Eine Ortschaft schoß heran. Magnus verringerte die Geschwindigkeit. Noch etwa zwanzig Kilometer, dann würde er wissen, was es nun war. ... Link (0 Kommentare) ... Comment
Beitrag zur kleinen Sonderreihe Schizophrenie
Kailoi
16:31Uhr | tag: Fingeruebungen
Siebzehn Geister und Dämonen Nummer Siebzehn war gekommen, um mir den Morgen zu versauen. STEH AUF. Du FAUUUUUULE SAUUUUUUU! Ein Teil meines "Verstandes" sagte, die Stimme wäre direkt in meinem Kopf, ein anderer Teil verortete das Geräusch hinter/über meinem Bett. Angst und Panik sind ein guter Wecker, deshalb hatte ich meinen schönen RadioWECKER auf dem flohmarkt verscherbelt und gleich sofort ein schönes BILD dafür gekauft - alles muss Gleichgewicht sein verkaufen-kaufen wegen Marktwirtschaft. Ein Hirsch war darauf und röhrte an die Berge und Tannenwälder. Ein See, so eine wundervolle Ruhe hätte ich gern, habe ich nicht wegen ihm und den sechzehn anderen. Sie werden immer mehr, einige sind sogar nett aber ich darf nicht über sie sprechen, die Leute sehen mich eh schon an. Die Kaffeemaschine ist kaputt, seit ich sie entkalkt habe. Der Kalk hat das Gummi zerfressen und danach alles zusammen-gehalten. Ein kleiner Wall aus Papiertüchern hält das Wasser vom Rest der Küche. Ich höre ihn schon, den kleinen, schwarzen Kerl. Er heißt Kaffeedämon und ich weiß bis heute nicht, wie er in jede Tasse kommt, ohne ausgetrunken zu werden. Wegen ihm hätte ich es mir beinahe abgewöhnt aber die Müdigkeit war schlimmer. Jetzt steht er vor mir, sabbelt mich voll. Bin noch nicht richtig wach, darum geht´s. ... Link (1 Kommentar) ... Comment
Retter der Wahrheit
Kailoi
16:33Uhr | tag: Fingeruebungen
Peter Meerbach stieg eilig in die Straßenbahn. Neben einigen Plastiktüten hatte er nur den abgewetzten Koffer bei sich, der die Reiseschreibmaschine enthielt. In nicht all zu weiter Ferne hörte er das Aufheulen einer Sirene. Das war bestimmt die Feuerwehr. Peter hatte den Teppich seiner Wohnung mit Benzin getränkt. Dann hatte er eine Dose mit Haarspray in die Mikrowelle getan und war abgehauen. Es war eine gelungene, wenn auch knappe Flucht gewesen. Zuletzt hatten sie ihn fast aufgespürt. Sicherlich haben sie auch ihre Leute bei der Feuerwehr, die seine ausgebrannte Wohnung nachher nach Spuren und Informationen absuchen würden. Aber das Wichtigste hatte er bei sich. Er würde in eine andere Stadt, vielleicht auch ein anderes Land gehen. Wenn es hier zu heiß würde, dann hätte er genug Leute, die seine im Exil verfassten Wahrheiten hier veröffentlichen würden. Wehmütig dachte er einen Moment an seine Videocassetten, die er hatte zurücklassen müssen. Die meisten kannte er aber ohnehin auswendig, wusste sowohl über die Area 51 wie auch die Mondlandungsverschwörung Bescheid. Er verstand ganz genau, wie diese Leute arbeiteten und gehörte zu den Leuten die die winzigen Fehler erkannten, die sie immer wieder machten. Zur Zeit arbeitete er an der Aufklärung des Vitamin-C-Kartells, einer verschwörerischen Verbindung von Chemiekonzernen. Natürlich wollten sie ihn kalt machen. Wenn er eines Tages mit seinen Beweisen an die Öffentlichkeit treten wird, dann wird das die Welt verändern... ... Link (1 Kommentar) ... Comment
schleierwelt
Albtraumjaeger
13:36Uhr | tag: Fingeruebungen
haus im nebel, schwebende schwaden schwach schwelende schemen lichtfenster leuchtet duester in weisser dunkelheit naesse netzt nieselnd mein haar besetzt meine klamme haut weit und breit kein laut ... Link (0 Kommentare) ... Comment
Die vergessene Sekunde
Kailoi
14:43Uhr | tag: Fingeruebungen
Ich kenne Thomas noch aus der Schule. Hätte nie gedacht, ihn jemals wiederzusehen. Damals hatten ihn alle Koma-Tom genannt, weil er nie wirklich da zu sein schien. Meistens starrte er irgendwohin. Einmal hatte Stefan ihn vor der ganzen Klasse aufgezogen und alle habe gelacht. In der folgenden Mathestunde hatte Thomas ihn dann die ganze Zeit angesehen. Man sah Stefan an, dass ihm das Lachen irgendwie vergangen war. Unruhe ging durch die Klasse und der Lehrer versuchte, Thomas vom Starren abzuhalten, indem er ihm eine Frage stellte. Dieser beantwortete die Frage des Lehrers, allerdings ohne seinen Blick von Stefan abzuwenden. Danach ließen ihn alle in Ruhe. Vielmehr fanden sie ihn jetzt unheimlich und gingen ihm aus dem Weg. Ich habe mich hin und wieder gefragt, woran er dachte, wenn er so dasaß. Jetzt saß er vor mir in der Straßenbahn in Richtung Stadtzentrum. Er hatte sich nicht großartig verändert, weder äußerlich noch von seinem Verhalten her. "Hey, Thomas, wie geht´s?", fragte ich. Er sah von den vorbeirasenden Tunnelwänden zu mir herüber und sagte "Keine Ahnung. Wie geht´s Dir?" ... Link (0 Kommentare) ... Comment
Kurzgeschichte
Kailoi
18:42Uhr | tag: Fingeruebungen
Er ließ sie einfach machen. Und starb friedlich an einem Magengeschwür. ... Link (4 Kommentare) ... Comment |
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Uuuuund... noch'n Podcast hier: https://im-moor.net
(kann man ruhig hören. ist seehehr gut))
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Noch'n Podcast Neues Projekt. https://podcast.jugendrecht.org/podcast/
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Weihnachtshexe Beffaná FYI Ich hab
einige Songs meiner diesjährigen 24-teiligen-Podcast-Serie über die Weihnachtshexe Beffaná in...
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by Kailoi (01.10.19, 12:29)
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