Zeitvertrag
Freitag, 30. Juli 2004
Zeitvertrag

§ 5:

Am nächsten Tag ließ ich die Messe sausen und ging stattdessen in den Zoo. Es war später Vormittag und die einzigen Gäste neben mir waren Mütter, die ihre Kinderwagen über die gepflasterten Wege schoben. Der Himmel war grau. Hinter dem Vogelzwitschern, dem Gekreische der Affen und all den anderen Tierlauten, dem Schreien, Brüllen, Bellen, Blöken, hörte ich den Stadtverkehr um den Zoo herumbrausen, als ob das dunkle Autodröhnen das Geräusch des grauen Himmels war. [weiterlesen...]

Ich hatte einen leichten Kater, weil ich nachts zuvor allein eine Flasche Whiskey aus der Minibar geleert hatte. Eine zeitlang hatte ich versucht, meine Tagträume von Dr. Mascha heraufzubeschwören, doch immer saß eine hässliche braune Kröte auf ihrem Kopf und quakte mich an. Gegen halb zwölf setzte ich mich in den Biergarten. Es war immer noch kalt und grau draußen und ich war der einzige Gast. Der Kellner brachte nur ein fragendes Schnauben heraus, bestimmt roch er meine Fahne. Ich störte, hatte offenbar kein Recht, hier zu sein. Warum konnte ich mich nicht einfach zu den Kinderwagenhühnern mit einer Plastikflasche Bonaqua an den Rand des Spielplatzes setzen und den Kindern beim Spielen zusehen, schien er mich zu fragen. Ein großer, dicker Typ war er, jetzt schon schwitzend, das schwarze Haar an der Stirn klebend, dünne Lippen. Ich bestellte Kristallweizen, weil ich das irgendwie passend für den Zoo fand und versank danach in dumpfe Grübelei. Nach einer Wartezeit von fünfzehn Minuten döste ich ein.

Erwachen. Orientierungslosigkeit. An der Tür zum Innenbereich des Cafés stand der Kellner und beschimpfte eine andere Angestellte, brüllte sie an. Seine Hand sauste ein paar Mal auf den nassen Tisch neben ihm. Zwischen den beiden breitete sich eine Bierpfütze aus, ein zerbrochenes Glas lag neben ihnen auf dem Boden. Fetzen von beschissener Kuh, besoffener Schlampe und Feuern drangen zu mir herüber. Benommen, fast noch im Halbschlaf stand ich auf und näherte mich ihnen. Was mich faszinierte, war die Stimme der Kellnerin, die manchmal protestierend in seinen Redeschwall einfiel. Etwa zehn Meter entfernt blieb ich stehen, halb gedeckt von einem recht verkümmerten Buchsbaum, der aus einem Betonquader zwischen den Tischen herauswuchs. Nachdem sich die Kellnerin eine weitere unflätige Schimpftirade ihres Chefs angehört hatte, fing sie mit einer dunklen, durchdringenden und leicht wackeligen Stimme an zu sprechen. Ihre Stimme klang wie ein seltsam unbestimmter Singsang, getragen, fesselnd, immer wieder absterbend und – tatsächlich – sturzbetrunken. Sie erklärte ihm, was für ein mickriger Niemand er sei, dass er sich seine Joseph-Goebbels-Anwandlungen besser für das Affenhaus aufsparen solle oder wenn er nachts mal wieder verzweifelt versuchen würde, eines der Hängebauchschweine zu vergewaltigen. Dass er das letzte Wesen auf der Erde sei, das in diesem Ton mit ihr reden dürfe, dass er ein Nichts, ein erbärmlicher Kinderficker sei, ein kümmerliches Arschloch. Sie wandte sich ab und blickte mit leeren Augen in meine Richtung. Immer noch kämpfte ich mit einer lähmenden Müdigkeit, riss krampfhaft die Augen auf. Außerdem hatte ich Durst. Der Kellner brüllte etwas, sie zischte zurück, Fick dich doch, schwankte in meine Richtung. Ausdruckslos schaute sie mich an, wie ich mit geweiteten Lidern wie gelähmt halb hinter diesem Buchsbaum stand, den Kellner von hinten auf sie zustürmen, ihn ihren Kopf von hinten in beide Hände nehmen sah, wie ich bewegungslos den Kerl den kleinen Kopf auf einen Plastiktisch hinuntersausen lassen sah, den kleinen Kopf, jetzt blutend. Ich wollte schreien und schaffte es nicht. Der Kellner beugte sich über sie, nahm das Kinn in eine Hand, zwei Schraubendreherfinger schlossen sich um ihren Kiefer und zwangen die Frau, ihn direkt anzuschauen. Verschwinde zischte er, verschwinde oder du bist tot. Sie richtete sich auf, langsam, taumelnd, stolperte in meine Richtung, der Kellner verschwand. Sie torkelte mir in die Arme, sah mich nicht, als hätte sie mich eben nicht bemerkt, rannte weinend in mich hinein. Du hast es doch gesehen, flüsterte sie. Sie roch nach Alkohol. Ja, brachte ich hervor, es tut mir leid, ich war wie gelähmt. Ich stotterte noch mehr in dieser Art und nichts davon war gelogen, ich hätte helfen wollen, ehrlich, ernsthaft, aber konnte mich nicht rühren. Pech für mich, schrie sie und rannte weg, schnell, unsicher, mit den Armen rudernd und ich wieder starr, bestürzt, unfähig zur Bewegung. Schließlich zwang ich mich, ihr hinterher zu gehen, Noch während ich sie suchte, rief ich die Polizei an.

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mehr!

wird zu meiner regelmässigen Morgenlektüre

Kann es sein, das Teile davon schon mal in einer Fingerübung veröffentlich wurde?

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ja, kann sein, ist so ;) freue mich sehr, wenns gelesen wird, mache mir allerdings sorgen, den veröffentlichungsrhytmus nicht einhalten zu können, naja, vielleicht kleine pause am WE.

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Doch, gefällt mir sehr.

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